Kolumbien
Alvaro Ramirez ist Kolumbianer und über Weihnachten zu Besuch in Traunstein. An die Kälte in Europa musste er sich erst gewöhnen: »An Weihnachten ist es in meiner Region wie an jedem Tag des Jahres um die 25 Grad warm. Am ersten Weihnachtsfeiertag machen daher viele Familien ein Barbecue unter freiem Himmel.«
Auch in Kolumbien wird Weihnachten am Abend des 24. Dezember gefeiert, jedoch nicht besinnlich im kleinen Familienkreis: Die gesamte Großfamilie versammelt sich im Haus der Großeltern zu einer möglichst großen, lebhaften Party.
Stille Nacht – Heilige Nacht, alle Jahre wieder? In Kolumbien erklingen an Weihnachten tropische Rhythmen wie Salsa oder Cumbia. Ein beliebtes Lied handelt zum Beispiel von einem gelben Vogel, ein anderes von einer nicht erwiderten Liebe. »Das hat eigentlich nichts mit Weihnachten zu tun, aber die Leute wollen an Weihnachten Spaß haben, und das bedeutet in Kolumbien eine Party mit tanzbarer Musik und vielen Leuten!«
Die Erwachsenen kochen, unterhalten sich oder tanzen, während die Kinder draußen auf der Straße spielen. In der Ferne knallen Böller. Bis vor etwa zehn Jahren sah man am Heiligen Abend Kinder alleine Feuerwerkskörper auf der Straße abschießen, nach zu vielen Unfällen wurde diese Tradition jedoch verboten.
Es gibt meist Brathühnchen oder kaltes gekochtes Schweinefleisch, dazu Salate, Früchte, und typische kolumbianische Gerichte: »An Weihnachten essen wir 'Tamales', das ist ein in Bananenblätter gefüllter Maisbrei mit Fleisch und Gemüse. Beliebt sind auch die 'Buñuelos' genannten Käsebällchen aus Mais, und als Dessert 'Natilla', eine Art Flan.«
Einen Christbaum gibt es natürlich auch, aus Plastik allerdings. Darunter darf die Krippe nicht fehlen, bei der sich die Kolumbianer gerne kreativ austoben: »Manche Leute haben bis zu 100 Schafe in ihrer Krippe, und da übertreibe ich nicht.«
In den 90er Jahren war es in Mode, die Krippe mit Moos möglichst realitätsnah aufzupeppen. Als ein ernsthaftes Umweltproblem entstand, weil zu viele Leute in der Vorweihnachtszeit die Wälder »entmoosten«, wurde der Handel damit verboten.
Dieses Jahr wird Alvaro Ramirez nun zum ersten Mal Weihnachten in Europa verbringen. »Ich mache mir ein bisschen Sorgen, dass ich die Weihnachtslieder nicht mitsingen kann. Aber ich bin schon sehr gespannt, wie Weihnachten hier wohl gefeiert wird.«
Griechenland
»Hier im Westen Europas ist Weihnachten schöner, weil es auch mal Schnee gibt«, meint Kosta Papachatzis, der seit 1999 in Traunstein lebt und dort das griechische Restaurant Odysseus führt. »In Griechenland wird dafür Ostern ganz groß gefeiert.«
Auch Ioannis Giannikis kommt ursprünglich aus Griechenland, ist aber in Deutschland aufgewachsen. Seit September arbeitet er im Restaurant Odysseus. An Weihnachten in Deutschland gefällt ihm besonders der Christkindlmarkt: »In Griechenland gibt es keine Weihnachtsmärkte. Weihnachten findet bei uns hauptsächlich zu Hause statt.«
Am Morgen des 24. Dezember gehen die Kinder verkleidet als Nikolaus oder Heilige Drei Könige von Tür zu Tür, singen Weihnachtslieder und bekommen dafür ein bisschen Geld und etwas zum Naschen, erzählt er. Nur wer Christos heißt, bekommt am 25. Dezember etwas geschenkt: Zum Namenstag. Alle anderen Kinder müssen bis zum 1. Januar warten. In der Silvesternacht versteckt der Nikolaus die Geschenke unter ihrem Bett.
»An Weihnachten geht man drei Tage lang jeweils morgens und abends in die Kirche«, erzählt Ioannis Giannikis. Den Heiligen Abend verbringt man in der Familie, in fröhlich-lauter Atmosphäre und mit mindestens zehn Personen am Tisch. Als typisches Weihnachtsessen gibt es Truthahn.
An den Weihnachtsfeiertagen geht man gerne in Cafés, in Restaurants oder sogar in die Disco. Im Gegensatz zu Deutschland ist in Griechenland an Weihnachten nämlich alles geöffnet.
Frankreich
»Am 24. Dezember sind wir abends immer in die Kirche gegangen, und daheim gab es heiße Schokolade und Brioche (französischer Hefekuchen) für die Kinder, Lachs und Champagner für die Erwachsenen«, erinnert sich Madeleine Kern. Sie ist bei Lyon im Südosten Frankreichs aufgewachsen, lebt aber seit fast 20 Jahren in Deutschland.
Nach der Kirche ging ihre Familie meist schon bald ins Bett, denn auch in Frankreich wird Weihnachten so richtig erst am 25. Dezember gefeiert. In der Nacht befüllt das Christkind die vor dem Kamin aufgereihten Schuhe mit Geschenken.
Der Höhepunkt des Weihnachtsfestes liegt in einem großen mittäglichen Festessen mit der ganzen Großfamilie. »Onkels, Tanten, Cousins, Großeltern, wir waren meist so um die 25 Personen. Es gibt aber viele Familien, wo es noch wesentlich mehr Leute sind«, erzählt sie. »Besonders schön an Weihnachten in Frankreich finde ich daher, dass man alle wieder einmal um sich hat.«
Während des Aperitifs werden Geschenke ausgetauscht, dann folgt ein Gang auf den nächsten. »Das volle Programm«, wie Madeleine Kern es nennt, kann leicht vier bis fünf Stunden am Esstisch bedeuten. Als Nachtisch gibt es dann noch die traditionellen 13 »Weihnachtsnachspeisen«, darunter Datteln, getrocknete Feigen und Kürbiskuchen, oder die »Bûche de Noël«, ein holzscheitförmiger Biskuitkuchen.
Mit ihrer Familie feiert Madeleine Kern mal französische, mal deutsche Weihnachten, zumeist eine bunte Mischung.
Da in Frankreich strenge Trennung zwischen Staat und Kirche herrscht, gibt es dort nur wenige Weihnachtsmärkte, und keine Sternsinger oder Nikolausbesuche an der Haustür. »Sogar im Radio spricht man in Bayern vom Heiligen Abend, das wäre in Frankreich unmöglich. Es gefällt mir, dass Weihnachten hier einfach eine ganz natürliche Tradition ist.«
Irland
Yvonne Haberlander lebt seit über 30 Jahren in Traunstein und erinnert sich noch gut an Weihnachten während ihrer Kindheit in Irland. Dort wird Weihnachten erst am 25. Dezember gefeiert. Morgens um sieben oder acht Uhr wachen die Kinder auf und finden am Fußende ihres Bettes mit Süßigkeiten und anderen kleinen Gaben gefüllte Socken. »Das waren aber nicht diese roten Nikolaussocken, die man heutzutage kaufen kann, sondern unsere eigenen Socken«, erzählt Yvonne Haberlander. Mit ihren Geschwistern rätselte Yvonne Haberlander oft darüber, wie »Santy« wohl durch den Kamin geschlüpft sein könnte. »Am Abend stellte meine Mutter ein Glas Wein und einen Teller Weihnachtskuchen auf den Kaminsims. Am nächsten Morgen fanden wir dann nur noch ein paar Krümel vor.«
Ein traditionelles irisches Weihnachtsessen besteht aus einem gefüllten Truthahn mit Rosenkohl, Karotten-Petersilienwurzel-Püree, Bratkartoffeln, Preiselbeer-, Apfel- und Bratensoße. Zum Dessert gibt es einen »Plumpudding«, einen dampfgegarten Kuchen, der über fünf Wochen lang mit Whiskey beträufelt wird.
»Das Essen ist das Wichtigste bei uns an Weihnachten«, sagt Yvonne Haberlander, weswegen sie die irische Tradition auch hier in Bayern aufrechterhält und jedes Jahr ein komplettes irisches Weihnachtsessen kocht. Da sie mit ihrer Familie hier natürlich auch am Heiligen Abend feiert, gibt es bei den Haberlanders eine »Irish-Bairische Doppelweihnacht«.
»Ich finde es schön, dass der Weihnachtsbaum in Bayern erst am Heiligen Abend aufgestellt wird.« Schon Mitte Dezember hat Yvonne Haberlander die ersten Fotos von den geschmückten Tannen ihrer irischen Verwandten zugesendet bekommen. Emma Pötscher