Die Frau aus Übersee konnte mit ihrem Auto nicht ausfahren. Als sie den Audifahrer zur Rede stellen wollte, fuhr der Mann mindestens dreimal auf sie zu und verletzte sie am Oberschenkel. Außerdem beleidigte und nötigte er die Frau. Das Amtsgericht Traunstein mit Richter Wolfgang Ott verhängte nun eine Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 30 Euro, insgesamt 2100 Euro sowie ein vierwöchiges Fahrverbot.
Die Überseerin wollte am Nachmittag des 27. Oktober 2016 von dem Innenhof in die Maxstraße einbiegen. Das war nicht möglich, versperrte doch das im Halteverbot geparkte Fahrzeug des 23-Jährigen die Ausfahrt. Die 52-Jährige klapperte alle Geschäfte im Umkreis von 50 Metern ab, fand den Fahrer aber nirgends. Sie entdeckte auf seinem Auto eine aufgedruckte Handynummer. Zweimal ging niemand ans Telefon. Nach etwa 20 Minuten tauchte der 23-Jährige auf, stieg ein und wollte wortlos starten. Als die Frau an die Fensterscheibe klopfte, erhielt sie die Antwort: »Verpiss dich.« Die Zeugin dachte nach ihren Worten »so nicht« und stellte sich vor das Auto. Da fuhr der Angeklagte zumindest dreimal auf sie zu. Bei den Anstößen trug die 52-Jährige Blutergüsse am Oberschenkel und Schmerzen davon. Sie griff ihr Handy, um Fotos zu machen. Der 23-Jährige stieg aus, brüllte sie an, beleidigte sie mit »Schlampe«, zeigte den »Stinkefinger« und schleuderte ihr entgegen: »Ich weiß, dass du Kinder hast. Pass bloß auf.«
Die Chefin eines Frisiersalons und ihre zwei Angestellten wurden auf die Szene auf der anderen Straßenseite aufmerksam. Die Inhaberin sah, wie der Mann mehrmals auf die 52-Jährige zufuhr. Bei der Polizei hatte sie gesagt: »Er wollte sie wegstauben und fuhr deshalb immer wieder langsam an die Oberschenkel der Frau.« Die Chefin nahm die aufgelöste, weinende Frau mit in den Laden und versuchte, sie zu beruhigen. Eine 20-jährige Friseurin bestätigte im Zeugenstand die Angaben der 52-Jährigen. Der Mann habe die Dame »immer wieder mit dem Auto angerempelt«. Sie selbst habe ihn als »Bastard« bezeichnet und zur Antwort »Hurentochter« erhalten. Auch die dritte Friseurin beobachtete die Anfahrmanöver des 23-Jährigen. Nachdem die komplette Belegschaft des Salons als Zeugen geladen war, musste das Friseurgeschäft während der Verhandlung zeitweise schließen, eine Kundin auf ihre Brautfrisur warten.
Der Angeklagte mit Verteidiger Dr. Andreas Kastenbauer aus Traunstein zur Seite schilderte, er habe, um kurz in eine Bäckerei zu gehen, versehentlich im Halteverbot geparkt. Jemand habe ihn angerufen, er solle sofort wegfahren. Als er sein Fahrzeug mit Automatikgetriebe starten wollte, sei plötzlich die Frau vor dem Kühler gestanden. Er habe den Drive-Modus drin gehabt: »Es kann sein, dass sich der Wagen noch leicht bewegt hat.« Da habe er auf Park-Stellung geschaltet und sei ausgestiegen. Der 23-Jährige erinnerte sich an eine Schreierei, er habe »nur noch weg wollen«. Der Richter fragte: »Haben Sie nicht gemerkt, dass sie die Frau dreimal angefahren haben?« Das verneinte der Angeklagte: »Vielleicht hat sich mein Auto bewegt. Wenn ich die Bremse loslasse, bewegt sich mein Wagen.« Als ein Polizeibeamter an den Tatort kam, war der 23-Jährige schon weg. Über Fotos mit der Handynummer auf seinem Pkw war er ausfindig zu machen.
Ob die Berührung mit dem Pkw in Höhe der Oberschenkel realistisch war, konnte das Gericht überprüfen, hatte der 23-Jährige doch nahe der Justiz geparkt. Danach legte Staatsanwalt Dr. Christian Liegl dem Angeklagten nahe, seinen Einspruch gegen den Strafbefehl zurückzunehmen. Das wies der Verteidiger mit Verweis auf Urteile zu »Nötigungen durch Fußgänger« zurück. Der Richter fragte: »Dann gehört wohl die Zeugin auf die Anklagebank?«
Der Staatsanwalt hob im Plädoyer heraus: »Der Angeklagte hatte nicht das Recht, die Zeugin wegzuschaffen. Er hatte vorher eine rechtswidrige Handlung begangen.« Der 23-Jährige habe aufgrund eines minimalen Anlasses einen maximalen Rundumschlag geführt. 100 Tagessätze à 30 Euro seien angemessen, dazu ein Fahrverbot von zwei Monaten. Von »einem Fall aus der Humorkiste« sprach Verteidiger Dr. Andreas Kastenbauer. Sein Mandant sei »an der Aufhebung eines rechtswidrigen Zustands gehindert worden«: »Er wollte die Blockade beseitigen.« Gegen Nötigung durch einen Fußgänger dürfe man sich wehren. Für die »Beleidigung« sei eine kleine Geldstrafe ausreichend.
Mit dem Verteidiger stimmte der Richter zum Teil überein: »Die Zeugin hat eine Ordnungswidrigkeit im untersten Bereich verwirklicht. Der entscheidende Gesichtspunkt ist, ob das Verhalten des Angeklagten Notwehr war.« Grundsätzlich habe eine Notwehrlage bestanden. Die Art der Notwehr müsse aber im Verhältnis zum Anlass stehen. Das Rechtsgut des Angeklagten sei als gering anzusehen. Er gefährde andererseits einen Fußgänger. Ott: »Das Zufahren auf einen Menschen ist keine Lappalie und potenziell gefährlich.« Schon das erste Anfahren könne eine Körperverletzung gewesen sein. Da dürfe man den Verursacher auch anhalten. Erforderlich sei ein »Denkzettel« in Form des Fahrverbots: »So geht es einfach nicht, dass man mehrmals auf einen Menschen zufährt.« kd