»Manchmal zählt bei einem gesundheitlichen Notfall jede Minute«, so Kretschmar. »Egal ob man sich in einer Großstadt oder auf dem Land befindet, professionelles medizinisches Personal ist möglicherweise nicht immer sofort verfügbar«. Und in solchen Fällen seien dann Bürger von unschätzbarem, die Erste Hilfe leisten können und damit in der Lage sind, Leben zu retten. Zwar befänden sich notärztliche Dienste im Freistaat in ständiger Bereitschaft. Aber auch Krankenwägen oder Hubschrauber benötigten eine gewisse Zeit, bis sie am Ort des Geschehens einträfen.
Entscheidend sei deshalb, so Kretschmar weiter, dass möglichst viele Menschen an Erste-Hilfe-Kursen teilnehmen. »Wie setze ich einen Notruf korrekt ab? Wie funktioniert eine Herzdruckmassage? Wie bringe ich jemanden in die stabile Seitenlage? In zertifizierten Erste-Hilfe-Kursen kann jeder lernen, was man bei einem medizinischen Akutfall wissen muss.« Grundsätzlich würden Kursteilnehmer auch zur korrekten Absicherung von Unfallstellen sowie zur Versorgung offener Wunden geschult. Ebenso gehöre die psychische Betreuung von Unfallopfern bis zum Eintreffen der Rettungskräfte zum Seminarprogramm.
Zwar sei der Besuch eines Erste-Hilfe-Kurses für jeden nützlich. Verschiedene Personengruppen unterlägen aber sogar einer gesetzlichen Pflicht, an solchen Seminaren teilzunehmen. »Wer im Straßenverkehr mit einem Fahrzeug unterwegs sein will, benötigt in jedem Fall eine Bescheinigung über die Teilnahme an einem Erste-Hilfe-Kurs. Darüber hinaus gibt es beispielsweise in jedem Betrieb die Pflicht, ausreichend ausgebildete Ersthelferinnen und Ersthelfer sowie Erste-Hilfe-Material zur Verfügung zu haben«, erklärt die Vorsitzende des Ärztlichen Kreisverbands Traunstein weiter. Da Wissen mit der Zeit auch wieder vergessen werde, empfiehlt Kretschmar, alle zwei Jahre einen Erste-Hilfe-Auffrischungskurs zu besuchen.
Corona beeinträchtigt Ausbildung
Viele Ausbildungskurse veranstaltet insbesondere der Kreisverband Traunstein des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK). »Im vergangenen Jahr haben unsere Ausbilder des Roten Kreuzes im Landkreis Traunstein insgesamt 4181 Bürger in den Grundlagen der Ersten Hilfe geschult«, berichtet Susanne Huber, die Sachbearbeiterin der Erste-Hilfe-Ausbildungen. Aufgrund der Corona-Vorgaben, die die Durchführung von Erste-Hilfe-Kursen zeitweise nicht erlaubt haben, sei die Gesamtzahl 2021 trotz großer Nachfrage niedriger als in den Vorjahren gewesen.
In diesem Frühjahr habe der BRK-Kreisverband das Kursprogramm um den vierstündigen Kompaktkurs »Senioren-Notfalltraining Ü60« erweitert. »Die Erfahrungen unserer Ausbilder und unseres Rettungsdienstes, aber auch statistische Auswertungen zeigen, dass es typische Notfälle und Unfälle bei älteren Menschen gibt. Darum möchten wir einen Kurs anbieten, in dem speziell auf solche Notfallsituationen eingegangen wird«, erläutert Huber. Behandelt werden in diesem Kurs ihren Angaben zufolge unter anderem das richtige Vorgehen bei Herz- und Schlaganfällen, Diabetes-Notfällen, Knochenbrüchen und Atemnot. Auch das Absetzen eines aussagekräftigen Notrufs und die richtige Verwendung eines Hausnotrufgerätes würden geübt.
Auch die Malteser im Landkreis Traunstein veranstalten immer wieder Schulungen in Erster Hilfe. »Wir Malteser im Landkreis Traunstein bilden jährlich rund 1800 Menschen in Erster Hilfe aus – in den letzten beiden Jahren jedoch deutlich weniger, weil wegen der Corona-Pandemie Kurse gar nicht möglich waren oder nur mit deutlich weniger Teilnehmern«, sagt Peter Volk, der Kreisgeschäftsführer der Malteser.
Teilnahme erfolgt oft nur bei Pflicht
»Meist werden Erste-Hilfe-Kurse nur dann absolviert, wenn das aus irgendeinem Grund Pflicht ist« – also zum Beispiel von Führerscheinbewerbern oder weil die Betriebshelfer-Ausbildung zu absolvieren ist. Jeder Betrieb müsse ja eine bestimmte Anzahl von ausgebildeten Ersthelfern aufweisen. Dann gebe es noch eine ganze Reihe von Teilnehmern, die einen Erste-Hilfe-Kurs absolvieren, weil sie Augenzeuge eines Unfalls auf der Straße, im Haushalt der Freizeit oder beim Sport waren und dabei nicht imstande waren zu helfen.
»Da es keine Verpflichtung gibt, seine Kenntnisse nach bestimmter Zeit aufzufrischen, was wir Malteser – ebenso wie alle anderen ausbildenden Hilfsorganisationen wie Bayerisches Rotes Kreuz, Johanniter und Arbeiter-Samariter-Bund – sehr begrüßen würden, können wir nur dafür werben, einen Erste-Hilfe-Kurs wahrzunehmen«, sagt Volk. Denn jeder könne damit konfrontiert werden, Augenzeuge eines Unfalls oder einer akuten Krankheit zu werden. »Und dann ist es wertvoll, wenn man Hilfe leisten kann.«
»Die meisten Unfälle oder Erkrankungen, die Erste Hilfe erfordern, passieren tatsächlich daheim oder in der Freizeit«, sagt Robert Schnell, Ausbildungsleiter der Malteser in Traunstein. Umso wichtiger sei es, dass man regelmäßig einen Erste-Hilfe-Kurs besucht und seine Kenntnisse auffrischt. »Wenn man bedenkt, dass die meisten Situationen, die eine Erste-Hilfe-Leistung notwendig machen, im Familien- und Freundeskreis passieren, sollte man doch vorbereitet sein«, betont Schnell. Gleichzeitig kritisiert der Ausbilder, »dass viele Personen nur im Rahmen des Führerscheinerwerbs einen Erste-Hilfe-Kurs absolvieren – und dann nicht mehr.«
pü