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Mit Photovoltaikstrom aus Bayern wird Wasser aus dem Tal in die Speicherseen der Tauernkraftwerke in Kaprun gepumpt. Damit die Österreicher den überschüssigen Strom überhaupt abnehmen, müssen die Stromkunden in Bayern bis zu 200 Euro pro Megawattstunde bezahlen.

Energiekunden zahlen für Strom, den keiner braucht

Traunstein – Es klingt wie ein schlechter Scherz, ist aber die Wahrheit: Österreichische Kraftwerksbetreiber bekommen überschüssigen Strom, der von Photovoltaikanlagen im Chiemgau und Rupertiwinkel erzeugt wird, kostenlos – und lassen sich das Geschenk auch noch mit bis zu 200 Euro pro Megawattstunde bezahlen.


Mit diesem bei uns nicht benötigten Strom wird zum Beispiel Wasser im Pumpspeicherkraftwerk Kaprun in die Speicher hinaufgepumpt. Wenn dann nachts kein Photovoltaikstrom erzeugt wird, produziert das Speicherkraftwerk aus dem nach oben gepumpten Wasser Strom. Ein Teil davon wird ins Bayerische Netz eingespeist und als umweltfreundliche Energie aus Wasserkraft verkauft.

Unser Leitungsnetz würde sonst zusammenbrechen

Es kommt an etwa 20 bis 30 Tagen im Jahr vor, dass das hiesige Leitungsnetz zusammenbrechen würde. Das ist der Fall, wenn weit mehr Photovoltaikstrom erzeugt und eingespeist wird, als verbraucht werden kann. Das ist vor allem an sonnenreichen Wochenenden der Fall und in den Ferien.

Dann sind die Netzbetreiber darauf angewiesen, den Strom dorthin abgeben zu können, wo er noch genutzt werden kann. Das sind in erster Linie die großen Pumpspeicherkraftwerke in Österreich und Frankreich, berichteten die beiden Geschäftsführer der Stadtwerke Traunstein, Stefan Will und Josef Loscar, in einem Gespräch mit dem Traunsteiner Tagblatt. Wenn mehr Strom erzeugt wird als benötigt, entstehen »negative Preise«, erläutert Loscar und fügt an: »Der Bürger hat die Energiewende bestellt. Er muss sie auch bezahlen«.

Bewährtes System hat man ohne Not aufgegeben

Elektrische Energie ist die Grundlage unseres Wirtschaftswunders gewesen. Zwischen 1930 und 1980 wurde in Deutschland eine perfekte Stromversorgung aufgebaut. Dann kam die sogenannte Liberalisierung. Da habe man laut Loscar das bewährte System ohne Not zugunsten der Kapitalmärkte aufgegeben. Das Manko beim Strom sei, dass man das, was man erzeugt, auch verbrauchen muss. Und wenn man zu viel Strom aus Photovoltaik oder Wind erzeugt, muss man ihn wegbringen. Ansonsten läuft man Gefahr, dass das Leitungsnetz wegen Überspannung zusammenbricht.

Die Strompreise werden heuer stabil bleiben

Wie jeder Stromkunde aus leidvoller Erfahrung weiß, sind die Strompreise über Jahre hinweg gestiegen. Im letzten Jahr sind sie stabil geblieben und auch heuer werde es, zumindest bei den Traunsteiner Stadtwerken, voraussichtlich keine Preiserhöhung geben.

Der Preis für Strom setzt sich im Wesentlichen aus drei Komponenten zusammen. Die erste ist der Preis für die Erzeugung, Beschaffung und Lieferung, die zweite die Nutzung des Netzes und die dritte sind die Abgaben, Umlagen und Steuern.

Der Preis für Energieerzeugung, -beschaffung und -lieferung wird größtenteils an sogenannten Strombörsen bestimmt. Das sind Großhandelsmärkte für Strom, an denen Erzeuger und Versorger zeitlich abgegrenzte Strommengen verkaufen und einkaufen. In Deutschland ist das die Strombörse in Leipzig. Neben Kosten für CO2-Emissionsrechte enthält dieser Bestandteil auch den Gewinnanteil des Stromversorgers.

Das Netznutzungsentgelt ist ein gesetzlich reguliertes Entgelt, das von Stromnetzbetreibern für die Durchleitung von Strom durch ihre Netze zu den Verbrauchern erhoben wird. Es enthält unter anderem die Kosten für den Aufbau, den Betrieb und die Instandhaltung von Stromnetzen.

Sieben Umlagen machen unseren Strom teuer

Sieben verschiedene »Umlagen« verteuern den Strompreis. »Über 60 Prozent davon sind staatliche Belastungen«, klagt Loscar. Da ist einmal die Konzessionsabgabe. Das ist ein Entgelt, das an Gemeinden gezahlt wird für das Gewähren von Wegerechten für Bau und Betrieb von Stromleitungen. Die Stromsteuer (im Volksmund Ökosteuer) wird seit 1999 erhoben. Ursprünglich sollte sie klimapolitische Ziele fördern. Die KWK-Umlage dient der Förderung der Stromerzeugung aus Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung.

Die EEG-Umlage ist nur ein Kostenfaktor

Die EEG-Umlage soll die Energieerzeugung aus erneuerbaren Energien fördern. Ökostrom wird den Produzenten zu den gesetzlich festgeschriebenen Preisen abgenommen. Diese liegen über den Markttarifen. Die Differenz wird über die EEG-Umlage von den Stromkunden bezahlt.

Mit einer »Sonderkundenumlage« werden entgangene Erlöse der Netzbetreiber für die Befreiung der Großindustrie vom Netznutzungsentgelt an den Privatverbraucher umgelegt. Seit 2013 ist die Offshoreumlage ein weiterer Bestandteil des Strompreises. Mit ihr wird ein Großteil von Schadensersatzkosten, entstanden durch Verzögerungen oder Ausfälle bei der Netzanbindung von Windparks im Meer auf Endverbraucher umgelegt.

Seit 2014 ist die »Umlage für abschaltbare Lasten« ein Teil des Strompreises. Um die Versorgungssicherheit im Stromnetz zu gewährleisten, sollen große Stromverbraucher bei »Blackoutgefahr« ihre Last vorübergehend abschalten. Dafür wird ihnen eine Entschädigung von den Übertragungsnetzbetreibern gezahlt. Auch diese Kosten werden auf die Kunden abgewälzt. Und am Ende kassiert der Staat noch einmal 19 Prozent vom Nettostrompreis, also aus all den oben genannten Preisbestandteilen als Mehrwertsteuer.

12 000 Stromkunden bei den Stadtwerken Traunstein

»Die Stadtwerke Traunstein liefern ihren rund 12 000 Stromkunden etwa 80 Millionen Kilowattstunden jährlich. Dass man bei Billiganbietern bis zu 200 Euro im Jahr sparen kann, räumt Loscar ein. Bei denen aber müsse man in den meisten Fällen Vorauszahlungen leisten, was immer ein Anzeichen für ein Schneeballsystem ist.

»An der Tankstelle muss man ja auch nicht Monate im voraus bezahlen«, sagt Loscar und Stefan Will ergänzt: »Es ist unseriös, für nicht erbrachte Leistungen Geld zu verlangen.«

Große Billiganbieter gingen in den letzten Jahren pleite

Zuletzt mussten rund 835 000 Stromkunden diese Erfahrung machen, die zur Firma FlexStrom gewechselt sind. Das Berliner Unternehmen ging pleite und ihr Geld war weg. Zuvor waren rund 750 000 Kunden beim Konkurs der Firma Teldafax die Ausgeschmierten. »Und das wegen 15 Euro im Monat, die sie sparen wollten«, merkt Josef Loscar an.

Und er sagt noch etwas, das überrascht. Mit dem Vertrieb von Strom verdienen die Stadtwerke kein Geld. »Wir leben vom Netz«. Da war es nur logisch, dass das Unternehmen von der EON das Leitungsnetz in den Stadtteilen Kammer und Rettenbach gekauft hat. Klaus Oberkandler

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