Bei der Bewältigung der Flüchtlingsströme seien die hauptamtlich tätigen Personen von zahlreichen ehrenamtlichen Helfern unterstützt worden, so Kraft. »Wer den Flüchtlingen in die Augen geschaut hat, sieht die Einzelschicksale, die mit der Flucht verbunden sind«, sagte sie. Sie sei sich sicher, dass die Herausforderungen durch den Flüchtlingsstrom mit rund einer Million Menschen bewältigt werden könnten, meinte Kraft. Ob es mit einer weiteren Million Menschen zu schaffen sei, wolle sie infrage stellen.
Bereite Hundertschaften in Köln nicht angefordert
Was in Köln in der Silvesternacht mit den Übergriffen passierte, sei eine Katastrophe gewesen. Es sei ein Fehler in der Einsatzplanung gewesen. Somit seien bereitstehende Hundertschaften der Bereitschaftspolizei nicht angefordert worden.
Weiter meinte Kraft, dass sie zur EU und den Grundwerten der EU stehe. Darauf kam bei der Diskussion die Frage, was denn für sie die Grundwerte der EU seien. Das seien Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, sagte die Landespolitikerin. Der kulturelle Hintergrund der EU werde erst klar, wenn man außerhalb der EU lebe, so Kraft. Die EU sei keine reine Wirtschaftsregion, sondern eine Gemeinschaft, die vieles zusammengelegt habe und eine gemeinsame Währung und Freizügigkeit verkörpere. Die EU sei keine Rosinenpickerei, sondern ein Gemeinschaftsprojekt aller EU-Staaten, fügte Kraft hinzu.
Ob die Politiker mehr oder minder zu Lobbyisten der Wirtschaft verkommen würden, wollte ein Gast wissen. Worauf Kraft sagte, dass sie den Ausdruck Lobbyist nicht sehr gerne mag. Denn wer sich mit einem Thema auseinandersetzen müsse, müsse sich auch in dieses Thema einarbeiten. Und sie könne sagen, dass sie das mache und wenn man über ein Thema Bescheid wisse, passe der Ausdruck Lobbyist nicht mehr.
Ausstieg nicht gleichzeitig aus Atom- und Kohleenergie
Als Beispiel nannte sie die Energiewende und sagte, wenn man aus der Atomenergie aussteige, könne man nicht zugleich auch aus der Kohleenergie aussteigen. Die regenerativen Energien würden nicht immer zu 100 Prozent den Energiebedarf decken und sei es nur für Minuten oder Stunden. So müsse man schauen, was möglich sei und welche Kosten entstünden. Dazu müssten Gespräche mit den Wirtschaftsvertretern geführt werden. Sie trage die Verantwortung dafür, dass der Strom für alle bezahlbar bleibe. Hier fügte Kraft noch ein, dass die Stromverbraucher letztes Jahr rund 24 Milliarden Euro für die Abgabe für Erneuerbare Energie auf Strom aufbringen mussten.
Beim Thema TTIP, dem transatlantischen Freihandelsabkommen mit den USA, kam die Forderung aus dem Publikum, dass alle Informationen und Inhalte dargelegt werden müssten. Dazu meinte die Ministerpräsidentin, dass die Inhalte von TTIP bekannt sein müssten und es nicht angehe, dass die Inhalte für die Parlamentarier nicht transparent seien. Doch eine öffentliche Verhandlungsführung im Vorfeld über die dort behandelten Inhalte wäre für den Ablauf nicht dienlich. Sie werde jedoch nichts unterschreiben, in dem außergerichtliche Schiedsverfahren festgeschrieben seien, so Kraft.
Wirtschaftsflüchtlinge sind Manager und Sportler
Eine Diskussionsteilnehmerin meinte, dass nicht die Menschen, die vor Hunger und Not in andere Länder gingen, Wirtschaftsflüchtlinge seien, sondern es seien für sie die Manager und gut verdienende Sportler, die ihre Millionen außer Landes schafften. »Die sogenannten Wirtschaftsflüchtlinge gibt es, da Deutschland nach wie vor kein Einwanderungsgesetz hat«, meinte Kraft. Es gebe so nur die Möglichkeit über das Asylrecht. Sie hoffe, dass es in absehbarer Zeit zu einer Regelung der Einwanderung komme.
Die Politik habe sich um viele Themen kümmern müssen und da sei Entwicklungspolitik, die die Lebenssituation in den verschiedenen Herkunftsländern hätte verbessern können, in den Hintergrund gerückt, so die Ministerpräsidentin. Hieran müsse wieder mehr gearbeitet werden, um den Auswanderungsdruck zu mindern. Trotzdem sei sie nicht ganz der Ansicht, dass der Kreis der Asylbewerber aus solchen Ländern letztlich doch in Deutschland bleiben könne, weil ihre Asylverfahren so lange dauerten. Hier seien schnellere Verfahren erforderlich, die zeitnah eine abschließende Information über das Bleiberecht oder die Ausweisung geben würden, so die SPD Politikerin. MP