Kommt wegen Nebels oder Sturms kein Hubschrauber durch oder ist die Einsatzstelle nicht per Geländefahrzeug erreichbar, so vervielfacht sich der Zeit-, Personal- und Materialaufwand schnell um ein Mehrfaches. »Was sonst fliegerisch nur ein bis zwei Stunden dauert, wird bei schlechtem Wetter rasch zu einer sehr komplexen und langwierigen Rettungsaktion – wie in alten Zeiten, als die Bergretter generell zu Fuß auf- und absteigen mussten«, erläuterte Lang.
Höhlenrettungsaktionen prägten das Einsatzjahr
2014 war vor allem geprägt von den beiden großen Höhlenrettungsaktionen im Riesending am Untersberg und in der Jack-Daniels-Höhle im Tennengebirge. Darüber hinaus gab es mehrere sehr schwierige Rettungseinsätze, unter anderem einen Zusammenstoß von zwei Drachenfliegern bei Ruhpolding, aufwändige Sucheinsätze, Rettungen von verletzten, abgestürzten und intern erkrankten Bergsteigern, Mountainbike-Unfälle, Rettungen von Unverletzten aus Bergnot, Totenbergungen, schwierige Rettungsflüge bei Starkregen und schlechter Sicht, beispielsweise in der Watzmann-Ostwand und Lawinenunfälle.
Im vergangenen Jahr gab es 17 Bergtote in den Berchtesgadener und Chiemgauer Alpen; 2013 waren es 19. »Das sind regionale Schwankungen, die einfach davon abhängen, wie viele Leute unterwegs sind. Bayernweit blieb die Zahl aber mit rund 80 bis 100 Toten jährlich während der letzten Jahre ziemlich konstant«, erklärte Lang. Die 890 (2013: 1087) Einsätze der Bergwachten in der Region Chiemgau für verletzte, erkrankte oder in Bergnot geratene Menschen verteilen sich auf 703 Notfalleinsätze (Verletzte oder Erkrankte), 93 sogenannte Sondereinsätze (Bergnot), drei Krankentransporte und 91 Fehleinsätze (beispielsweise Abklärung von Lichtquellen).
»Die Anzahl der Einsätze ist vor allem vom Wetter in Kombination mit dem Tourismus abhängig. Ist zur Ferienzeit gutes Bergwetter, dann sind auch mehr Leute unterwegs – und wo mehr los ist, passiert in der Regel auch mehr. Bei guten Schneeverhältnissen sind mehr Wintersportler am Berg und wir haben automatisch mehr zu tun«, erklärte Thomas Küblbeck, Regionaleiter der Bergwacht Chiemgau. 2014 war es zur Haupturlaubszeit im Juli und August wochenlang sehr regnerisch und eher kühl, und der Winter war relativ schneearm, weshalb die Bergwacht auch weniger Einsätze hatte.
Bereits von Januar bis April musste die Bergwacht aber zu ungewöhnlich vielen Wander-Unfällen ausrücken, beispielsweise auf der Hochstaufen-Südseite oder am Zwiesel. Erst ab Ende Januar passierten nach einem kurzen Wintereinbruch einige, zum Teil auch schwerere Wintersportunfälle. Am 18. April und am 18. Mai waren Lawineneinsätze am Kehlstein und am Jenner. Am 15. Mai ereignete sich ein Canyoning-Unfall im Kesselbach am Predigtstuhl, am 8. Juni und am 16. August passierten die beiden Unfälle im Riesending am Untersberg und in der Jack-Daniels-Höhle im Tennengebirge.
Über das ganze Jahr hinweg fanden auch mehrere zum Teil sehr aufwändige Suchaktionen statt, wie am 23. Mai im Bereich des Unzentaler Riedels im weitläufigen Gebiet zwischen Sonntagshorn, Ochsenhorn, Ristfeuchthorn und Inzeller Kienberg oder am 23. April im Königssee-Gebiet, wo 2014 auffällig oft chinesische Touristen Hilfe brauchten. Ein auf der Südseite der Reiter Alpe vermisster Bergsteiger konnte am 1. August nach tagelanger Suche nur noch tot aufgefunden werden; er war im Bereich des Antonigrabens beim Abstieg vom Edelweißlahner abgestürzt.
Weitere tödliche Abstürze passierten beispielsweise am 22. Juni im Pidinger Klettersteig am Hochstaufen, am 1. Juli am Windschartenkopf und am 11. Oktober am verfallenen Käferleitensteig im Bereich der Kienbergalm auf der Südseite des Untersbergs. Am 3. August wurde ein Bergsteiger am Watzmann-Hochstieg auf der Flucht vor einem Steinbock, den sein Hund aufgeschreckt hatte, verletzt.
Nochmal sehr viel Arbeit gab es nach dem verregneten Sommer im September, als bei anhaltend milden Temperaturen und viel Sonnenschein sehr viele Menschen in den Bergen unterwegs waren. So mussten beispielsweise allein die Bergwachten im Berchtesgadener Land am 27. September zu insgesamt neun Einsätzen ausrücken.
Steigende Ansprüche an die Bergwacht
Küblbeck: »Viele Bergsteiger erwarten heute, dass trotz schwierigem Gelände und schlechtem Wetter Hilfe genauso schnell ankommt wie im Tal. Diesem Anspruch können wir aber trotz moderner Technik und bester Ausbildung nur bedingt gerecht werden.« Nach der vollzogenen Strukturreform mit vier Einsatzleitbereichen und einem Netz aus ehrenamtlichen Einsatzleitern, die über insgesamt vier eigene Einsatzleitfahrzeuge verfügen, arbeitet die Bergwacht in der Region Chiemgau trotz ihres ehrenamtlichen Charakters stetig professioneller. ml