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Foto: Wasserschutzpolizei Prien

»300 Kubikmeter Rohöl aus beschädigter Leitung ausgelaufen«

480 Rettungskräfte von Feuerwehr, BRK, Wasserwacht, DLRG, Polizei und THW waren zwei Tage lang am Chiemsee im Einsatz. Sie probten den Katastrophenfall, dass aus der Transalpine Ölleitung Öl ausläuft und über die Tiroler Ache den Chiemsee zu verunreinigen droht.


Jedes Jahr fließen 41,3 Millionen Tonnen Rohöl durch die 465 Kilometer lange Transalpine Ölleitung von Triest nach Ingolstadt. Die Leitung kreuzt in der Nähe von Kitzbühel die Tiroler Ache. Reibungslos und unbemerkt. Doch was passiert bei einem Unfall? Um eine Verschmutzung des Chiemsees zu vermeiden, proben Rettungsorganisationen alle drei Jahre mit ungeheurem Aufwand diesen Ernstfall und ziehen kilometerlange Ölsperren ein.

Auch vergangenes Wochenende nahmen 428 ehrenamtlichen Helfer und 52 Hauptamtliche von Feuerwehr, BRK, Wasserwacht, DLRG, Polizei und THW an einer zweitägigen Katastrophenschutzübung an der Tiroler Ache in Marquartstein, am und auf dem Chiemsee teil.

Bagger beschädigt die Pipeline...

Die Rettungskräfte gingen bei ihrer Übung von folgendem Ereignis aus: Am Freitag um 15.28 Uhr beschädigt ein Bagger im österreichischen Jochberg die Ölfernleitung. 300 Kubikmeter Rohöl bedrohen die Jochberger Ache, die letztlich in die Tiroler Ache und in der Folge in den Chiemsee mündet.

Dieses Jahr nahm das Landratsamt die Übung zum Anlass, den mit den Akteuren überarbeiteten und modernisierten Sonderplan Katastrophenschutz einem Stresstest zu unterziehen. Wie in einem Ernstfall nahm Landrat Siegfried Walch am zweiten Übungstag den Katastrophenfall an. Die beim Landratsamt angesiedelte »Führungsgruppe Katastrophenschutz« übernahm die Koordination aller Einsätze, wie es das Bayerische Katastrophenschutzgesetz für den Ernstfall vorsieht. Die Dienste vor Ort steuerte die Einsatzzentrale im Feuerwehrhaus Übersee.

Über zwei Kilometer lange Ölsperre

Das Material für eine Ölsperre im Chiemsee rund um das Delta der Tiroler Ache halten die Pipelinebetreiber, die TAL-Gruppe (Transalpine Ölleitung), und das Technische Hilfswerk (THW) in einer Station im Bereich Lachsgang vor. In einem ausgeklügelten System aus Lastenaufzügen und Montagebahn installierten die Einsatzkräfte eine Ölsperre mit einer Länge von 2,2 Kilometer vor der Achenmündung im Chiemsee. An zwei Pumpstationen auf dem Wasser und einer auf Pontonbooten montierten Fähre wurde mittels moderner Technik das sich hinter der Sperre stauende Öl-Wasser-Gemisch von der Oberfläche abgesaugt. Schlauchleitungen pumpten es in der Hirschauer Bucht an Land. Eine THW-Spezialeinheit aus Kelheim trennte mit ihrer Anlage Sepcon Öl und Wasser und pumpte letzteres wieder zurück in den Chiemsee. Das aufgefangene Öl wurde per Lkws entsorgt.

Die Hauptlast der Übung trug das THW. Neun Ortsverbände, dazu THW-Spezialisten aus Kelheim und Landshut leiteten den Einsatz vor Ort, bauten die Ölsperren ein, übernahmen die Ölabsaugung, den Transport an Land und die Ölseparation.

Genauso engagiert und unverzichtbar war der Einsatz der Feuerwehren, des Rettungsdienstes mit dem Bayerischen Roten Kreuz, der Wasserwachten am Chiemsee und der DLRG. Schon am ersten Übungstag probten die heimischen Feuerwehren den Einbau einer Ölsperre in Marquartstein mit der Separation des Öl- Wasser-Gemisches. Taucher und Bootsführer waren gefordert, 45 angeblich Verletzte schufen realistische Szenarien eines Katastrophenfalles.

Die Polizei beteiligte sich vor Ort und in den Einsatzzentren. Fachleute der Bundeswehr beobachteten die Übung, um gegebenenfalls Bundeswehrhelfer in die Rettungskette integrieren zu können.

Wieder einmal ging das System ineinandergreifender Maßnahmen auf. Die Übung verlief reibungslos, freute sich der Sachgebietsleiter Einsatz des bayerischen THW, Uwe Schäfer. »Eine solche Übung beginnt immer mit einem Chaos unmittelbar nach der Alarmierung, doch wenig später nimmt das ausgeklügelte System Tritt auf, die Routine greift«, schildert es Kreisbrandinspektor Georg König.

Seit 1971 arbeitet das THW eng mit der Transalpinen Ölleitung (TAL) und den heimischen Behörden zusammen. Über die Jahre sei der Ablauf bei den Katastrophenschutzübungen optimiert worden, zeigte sich Uwe Schäfer zufrieden. Wichtig sei es jedoch, weiterhin regelmäßig zu üben, gerade für die Koordination der unterschiedlichsten Einheiten und um den Nachwuchs für den Ernstfall auszubilden und zu trainieren. Die große Ölwehr am Chiemsee sei das letzte Glied einer Kette, wenn vorherige Maßnahmen gescheitert seien, so Schäfer. Sie sei am Chiemsee installiert, weil die Ache als Hochgebirgsstrom sehr unterschiedliche Wasserstände und Bedingungen biete und der Chiemsee das erste ruhige Gewässer mit gleichbleibendem Wasserstand ist. Feuerwehren und andere Organisationen greifen zuvor entlang der Gewässer bei jedem Ölunfall ein, sodass die Ölwehr im Chiemsee nachrangiges Mittel bleibt.

Für die Naturschützer hat die Übung zwei Seiten: zum einen sei sie nötig für einen eventuellen Erstfall, zum anderen störe die Großübung aber die Tiere im unmittelbar angrenzenden Naturschutzgebiet. Regelmäßig treffen sich daher die Akteure, Natur- und Vogelschützer, Betreiberorganisation, Einsatzorganisationen und Behörden am runden Tisch. »Wir lernen voneinander«, bestätigen Beate Rutkowski, Mitglied im Landesvorstand und Vorsitzende der Kreisgruppe Traunstein im Bund Naturschutz Bayern, und TAL-General Manager Alessio Lilli. Aus diesen Gesprächen entwickelten sich Ideen. Die heutigen Kontrollflüge rund um die Bojenkette und die Anlagen am Chiemsee mit der Drohne mindern den Stress für die Natur. Auf die Tierwelt nehmen die Übungsteilnehmer Rücksicht, wenn sie in der Dämmerung mit ihren Arbeiten pausieren, wie die Naturschützer empfehlen.

Einig sind sich alle Beteiligten, dass die Ölsperranlagen künftig weiter in den See verlegt werden müssen, auch wenn das eine längere Ölsperre und damit höhere Kosten bedeutet. Die Verlandung des Achendeltas zwinge dazu, um den Tieren die Ruhe zu erhalten. Andererseits verlangt das die Technik, um die reibungslose Montage und Funktion der Ölsperre auch bei Niedrigwasser sicherzustellen.

Landrat Siegfried Walch, lobte die vielen Helfer: »Mit ihrem selbstlosen Einsatz und der Ausbildung opfern sie eine Menge Freizeit, jetzt fast zwei Tage!« Er zollte den Rettungsorganisationen hohen Respekt. lukk

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