Auf dem Gelände der ehemaligen Holzhandlung Döllerer hinter dem Rathaus sind die neuen Gebäude der Lebenshilfe und der MARO-Genossenschaft fertiggestellt. Rechts der Zuwegung vom Rathaus steht das inklusive Wohn-, Arbeits- und Begegnungsprojekt der Lebenshilfe Traunstein. In einer gelungenen Feier in der Achentalhalle des Alten Bads wurde der Betrieb offiziell eröffnet und von den beiden Pfarrern Martin Straßer und Rainer Maier geweiht.
Wolfgang Maier, Vorsitzender des Vereins der Lebenshilfe Traunstein, sieht einen für seinen Verein neuen und innovativen Weg. In Unterwössen betreibt dieser über seine Ausführungsgesellschaft, die Lebenshilfe gGmbH, den ersten Inklusionsbetrieb. Für Maier ist das ein Konzept mit zukunftsweisendem Charakter. Ihn freut, dass sie damit erstmals im südlichen Landkreis vertreten ist. »Aus der Idee – entstanden in Zusammenarbeit mit dem Wössner Regenbogen – wuchs eine gute und bedarfsgerechte Einrichtung für die Zukunft von Mitarbeitern und Bewohnern«, so Maier.
Wo könne einer der Leitsprüche der Lebenshilfe »Mittendrin statt nur dabei« besser gelten als im Zentrum eines Dorfs, in dem sich Menschen begegnen, fragte die Regierungspräsidentin von Oberbayern, Maria Els in ihrem Grußwort. Aus dieser Lage und der täglichen Arbeit ergeben sich Kontakte und Austausch. »Die Bewohner und Mitarbeiter der Lebenshilfe werden dazu gehören«, ist Els überzeugt. »Das ist gelebte Inklusion.« Das in der Zusammenarbeit mit Gemeinde und der MARO Genossenschaft entstandene Projekt zeige, was möglich ist, wenn alle an einem Strang ziehen. Begünstigt habe das ein Glücksfall, der ehemalige Grundeigentümer Hans Döllerer. Für ihn stand nicht der eigene Profit, sondern der Nutzen für seine Heimatgemeinde im Vordergrund. Els freut sich, »dass wir als Regierung von Oberbayern das Projekt begleiten und finanziell fördern durften. Ein Projekt, mit dem barrierefreier, bezahlbarer Wohnraum geschaffen, die Unterwössner Ortsmitte gestärkt und gleichwertiger Wohnraum für Menschen mit und ohne Handicap geschaffen sei.
Bezirkstagspräsident Josef Mederer sah in der Eröffnung einen besonderen Tag, denn Inklusion und Teilhabe seien wichtige Elemente des menschlichen Miteinanders. Er freue sich immer als überörtlicher Sozialhilfe- und Kostenträger in vielen Bereichen, solche Projekte zu fördern. Das »Mitten im Ort« sei Ausdruck der Teilhabe, die modern gedacht weg von großen Komplexeinrichtungen hinein in die Regionalisierung und in die Fläche führen müsse. Die Anforderungen des Bundesteilhabegesetzes seien in Unterwössen beispielhaft verwirklicht.
Für Landrat Siegfried Walch steht das Achental für den Zusammenhalt vom Bürgermeister bis in die Ortsgemeinschaften. »Deshalb gehören solche Einrichtungen hierhin.« Vieles entstehe im Miteinander. Das brauche aber den Zusammenhalt, um endlich zu einem großen Ganzen zu werden. Hinter dem Begriff Heimat sieht Walch auch immer die Menschen. »Dabei sind wir nicht alle gleich, aber jedenfalls gleich viel wert, egal, in welcher Leistungsphase des Lebens wir stehen. Für uns als Bürger ist es wichtig, das zu kapieren.« Es komme immer vor, dass ein starker Mensch aus seiner Leistungsphase herausbricht und Hilfe braucht. Jeder von uns braucht irgendwann einmal Hilfe, kann aber auch Hilfe bringen. Walch sieht das alles als Herausforderung für die Zukunft, die großen Fragen oder das eigene Leben, das Miteinander verlangen. »Schauen wir, dass wir unsere Gesellschaft zusammenbringen.« Dazu mache das Projekt der Lebenshilfe am richtigen Ort in der richtigen Region Mut. »Bei uns bleibt niemand zurück. Im Chiemgau halten wir zusammen.«
Einen herzlichen Gruß an unsere neuen Nachbarn am Rathaus überbringt Bürgermeister Ludwig Entfellner. »Ich hoffe, dass ihr neuen Bewohner eine neue Heimat findet. Ihr seid eine Bereicherung fürs Dorf.« Am Beispiel gekommener und gegangener imposanter Gebäude im Dorf beschreibt der Bürgermeister: »Nichts bleibt, wie es ist.«
Hans Döllerer sei immer ein Vordenker gewesen. Mit seiner Idee, etwas zu schaffen, was dem Ort etwas bringe, sei er seiner Zeit weit voraus. Entfellner beschrieb, wie sich die Idee zum Projekt entwickelte. »Ich will nicht sagen, dass es gefunkt hat«, spielt der auf die Geschäftsführerin der Lebenshilfe Annemarie Funke an, »aber auf jeden Fall ist die Sache ins Rollen gekommen.« Wir haben im Ort und in der Nachbarschaft viele soziale Projekte. Wir stehen vor den Herausforderungen der alternden Gesellschaft und stationärer Pflege. Für den ländlichen Raum kann das eine Perspektive sein, auf diese Weise Arbeitsplätze zu schaffen, ohne Gewerbefläche ausweisen zu müssen. Das Projekt bringe den Bewohnern ein Zuhause, dem Dorf eine warme Mahlzeit und ein Café, den Bewohnern und der Bevölkerung das Miteinander.
Aus den vielen offiziellen Worten stach ein Redebeitrag besonders heraus. Jasmin Windbichler, 27 Jahre, ursprünglich aus Reit im Winkl ist eine der Bewohnerinnen mit Handicap im neuen Lebenshilfe-Projekt. »Wir sind eingezogen und haben uns in Unterwössen schon eingewöhnt. Wir haben Freunde kennengelernt und ich habe einen Freund gefunden. Alle sind so, so nett.«
Nach der Schlüsselübergabe durch den Architekten hielten der katholische Pfarrer Martin Straßer und der evangelische Pfarrer Rainer Maier, unterstützt von Diakon Michael Sörgel, eine kurze Andacht, ehe sie darauf den neuen Räumlichkeiten den kirchlichen Segen spendeten. Die Feierstunde begleitete musikalisch die Lehrer-Tanzlmusi der Musikschule Grassau.
lukk