Justiz
Bildtext einblenden
Foto: dpanitf3

Sieben Monate altes Baby massiv misshandelt – Viereinhalb Jahre Haft für Mutter und Bewährungsstrafe für Vater

Die Misshandlung eines sieben Monate alten Babys erstreckte sich über zumindest drei verschiedene Zeitpunkte und über mindestens zehn unterschiedliche Handlungen. Das stellten Gutachter fest. Ob die Mutter (26) oder der leibliche Vater (37) die Verletzungen verursacht hatten – das musste die Zweite Strafkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzendem Richter Volker Ziegler klären. Die Kammer verhängte gegen die Mutter wegen »schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen« viereinhalb Jahre Freiheitsstrafe, gegen den Vater wegen »vorsätzlicher Körperverletzung durch Unterlassen von Hilfe« eine Strafe von zehn Monaten mit fünfjähriger Bewährung. 


Den Ausdruck »Gewaltexzesse der Mutter gegen das Kind« verwendete Staatsanwalt Markus Andrä sowohl in der Anklageschrift als auch am Donnerstag im Plädoyer auf eine Strafe von fünfeinhalb Jahren für die 26-Jährige und von drei Jahren für den 37-Jährigen. Nebenklagevertreter Erhard Frank aus Burghausen schloss sich an. Andrä zeigte sich überzeugt, alles sei wie in der Anklageschrift geschildert abgelaufen. Demnach soll die Mutter in der Zeit vor dem 24. Juni 2020 in der gemeinsamen Wohnung in einem Dorf nahe Haag das Kind geschlagen, grob angepackt und gekratzt haben. Spätestens am 24. Juni 2020 soll der Kindsvater die Verletzungsfolgen wie ein verschwollenes Auge, Hautdefekte sowie Blutergüsse am Kopf und am ganzen Körper gesehen haben. Pflicht des Vaters wäre gemäß Anklage gewesen, die kleine Tochter vor weiteren Gefahren durch deren Mutter zu schützen. Er unternahm aber nichts und verließ das Haus an jenem Abend gegen 18.30 Uhr für Stunden. Nachdem der 37-Jährige weg war, wollte der Säugling das Fläschchen nicht trinken. Im Schlussantrag sagte der Staatsanwalt dazu: »Da sind der Angeklagten die Sicherungen durchgebrannt. Sie hat das Kind gegen etwas geschlagen. Es war nur dem Zufall geschuldet, dass das Baby keine tödlichen Verletzungen erlitt.« Der damalige Zustand des Kindes war sichtlich schlecht. Da verständigte die 26-Jährige einen Notarzt. Der bewusstlose Säugling wurde mit komplizierten Schädelfrakturen per Hubschrauber in eine Kinderklinik in München geflogen.

Kind sechs Tage auf Intensivstation

Das Baby musste sechs Tage auf der Intensivstation bleiben, anschließend zwei Wochen auf einer Normalstation verbringen. Die inzwischen Dreijährige lebt mittlerweile auf Initiative des Kreisjugendamts Mühldorf bei einer Pflegefamilie.

Die 26-Jährige und ihr Ex-Mann – das Paar ist inzwischen geschieden – wiesen in der Hauptverhandlung ein Verschulden zurück. Beide behaupteten, sie hätten der Kleinen nichts getan. Verantwortlich könne nur der oder die andere gewesen sein. Einige der Verletzungen erklärten sie damit, der Säugling habe sich die blauen Flecke beim Umdrehen oder an den Gitterstäben des Bettes zugezogen. Das schloss eine Gutachterin als nicht möglich aus, ebenso solche Schädelfrakturen. Das Kind hätte für eine derartige Verletzung aus drei Metern Höhe zu Boden springen müssen. Zu den genauen Zeitpunkten der Verletzungen konnten sich die Sachverständigen nicht festlegen. Alles sei jedoch »relativ frisch« gewesen.

Die Verteidiger aus Mühldorf, Jörg Zürner für die 26-Jährige und Axel Reiter für den 37-Jährigen, versuchten, die Beweisführung des Staatsanwalts zu erschüttern. Es gebe manche Fakten, die nicht zu der Anklage passten beziehungsweise als Beweismittel nicht gewürdigt worden seien. Nachbarn hätten zum Beispiel gegen 20 Uhr an jenem Abend aus der Wohnung »Männergeschrei und ein Klatschen« gehört. Die zwei Anwälte beantragten eine Verurteilung nur wegen »Körperverletzung durch Unterlassen«. Die 26-Jährige solle dafür acht Monate Strafe mit Bewährung, der Vater des Kinds 10 Monate, ebenfalls mit Bewährung, erhalten.

Im Urteil sprach Vorsitzender Richter Volker Ziegler dem Kind, vertreten durch das Kreisjugendamt, ein Schmerzensgeld von 15.000 Euro zu, das die Eltern gesamtschuldnerisch zahlen müssen. Außerdem müssen die Angeklagten für alle künftigen materiellen und immateriellen Schäden aufkommen, die aus den Taten rühren. Das Gericht habe »erlebt und mitgelitten« mit dem Kind, das in einer Familie aufgewachsen ist, in der schwerste Missstände herrschten und die Mutter überfordert war – mit einem chaotischen Haushalt und extremen Zuständen, betonte der Vorsitzende Richter. Das Baby habe mindestens zwei Wochen lang Verletzungen erlitten, die »nur durch grobe Misshandlung« erklärbar waren. Dann sei noch die schwere Schädigung am Kopf erfolgt, die jemand zugefügt haben müsse. Ziegler hob heraus, das Gericht habe »keine Zweifel«, dass die Mutter für die Verletzungen verantwortlich war. Und der Vater hätte einschreiten müssen. Die Haftbefehle hielt die Zweite Strafkammer aufrecht, setzte den des 37-Jährigen allerdings außer Vollzug.

kd

Mehr aus der Stadt Traunstein