Die Bande arbeitet mit »Keilern«, die bei Anrufen schlimmste Verkehrsunfälle von nahen Angehörigen vorspiegeln. Dabei geben sie vor, durch hohe Zahlungen könnte die Inhaftierung vermieden werden. »Logistiker« organisieren alles – einschließlich der nötigen »Fahrer« und »Abholer«. Ein solches Telefonat erhielt eine 68-Jährige aus dem Raum Traunstein am 7. September 2022. Ihre Tochter hatte angeblich eine schwangere Frau totgefahren. Sogar das ungeborene Kind sollte gestorben sein (wir berichteten). Verschiedene Mittäter hielten die 68-Jährige stundenlang am Mobiltelefon. Sie forderten 60000 Euro Kaution – erst in bar, dann in Form einer Rolex. Schließlich gab sich die Bande mit Schmuck und Bargeld im Gesamtwert von über 40000 Euro zufrieden.
Die beiden Angeklagten konnten sofort nach der Übergabe der Beute an den maskierten Abholer an der Bahnhofstraße in Traunstein dingfest gemacht werden. Der Grund: Sie standen seit dem Vortag unter polizeilicher Beobachtung, allerdings nicht wegen eines Betrugsdelikts, sondern wegen Verdachts auf Drogen. Das Fahrzeug war Schleierfahndern in Garmisch-Partenkirchen bei einer verdachtsunabhängigen Kontrolle aufgefallen. In der Kommune hatten sich die Angeklagten um diese Zeit aufgehalten – möglicherweise, um bei anderen Geschädigten deren Wertgegenstände einzusacken. Tatsächlich hatte es am 6. September 2022 einen Schockanruf gegeben. Eine Übergabe fand jedoch nicht statt.
Die Sache in Garmisch-Partenkirchen brachte den bislang nicht vorbestraften Angeklagten die Verurteilung wegen »versuchter Verabredung zu einem Verbrechen« ein. Daneben gelangte die Neunte Strafkammer zu zwei Fällen des banden- und gewerbsmäßigen Betrugs. Den 24-Jährigen hielt Vorsitzende Richterin Barbara Miller ihre »Geständnisse in weiten Teilen« zugute. In einigen Punkten hätten sie aber ihre eigenen Tatbeiträge heruntergespielt, etwa mit der Behauptung, »nur in gröbsten Zügen« über die Pläne der Bande informiert gewesen zu sein.
Im Fall der 68-Jährigen führte die Vorsitzende Richterin bei den strafschärfenden Aspekten generalpräventive Gründe, die Ausnutzung der Geschädigten und den hohen Schaden an. »Das Opfer wurde böser Angst und großem Stress über mehrere Stunden ausgesetzt«, hob Barbara Miller heraus. Kein erheblicher Strafmilderungsgrund sei die schon angelaufene Observation durch die Polizei.
Positiv zu werten seien die Entschuldigungen der Täter bei der 68-Jährigen sowie der Umstand, dass ihr kein endgültiger Schaden entstanden sei. Zudem habe die Frau das Geschehen – im Gegensatz zu anderen Opfern – vergleichsweise gut verarbeitet. Zum Thema »Unterbringung zum Entzug«, stellte Miller einen »Hang zu Drogen« fest. Drogensucht sei zumindest mitursächlich für die Taten.
Alle Prozessbeteiligten waren sich in der Frage der Unterbringung einig. Staatsanwalt Severin Köpnick hatte darüber hinaus auf sechseinhalb Jahre Freiheitsstrafe plädiert. Er berief sich vor allem auf generalpräventive Gründe hinsichtlich solch krimineller Bandenstrukturen. Die vier Verteidiger hielten zweieinhalb Jahre Haft für ausreichend.
kd