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Der 30-jährige Mann muss wegen gefährlicher Körperverletzung in das Gefängnis. (Foto: privat)

Raubüberfall mit Taschenmesser in Mühldorf vor Gericht: »Ich dachte, es wäre ein Scherz«

Traunstein – Mit einem Messer in der Hand forderte ein drogensüchtiger 30-jähriger Waldkraiburger in einer Firma in Mühldorf, die unter anderem mit Haar- und Urinanalysen befasst ist, von zwei Mitarbeiterinnen Geld. Der Täter steckte eine Geldkassette mit rund 3 765 Euro in eine Stofftasche, verlor einen Großteil der Beute jedoch auf der Flucht. Die Zweite Strafkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzendem Richter Erich Fuchs verhängte eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren zehn Monaten und ordnete die Unterbringung des Mannes in einer Entziehungsanstalt an.


Über seinen Verteidiger, Dr. Kai Wagler aus München, räumte der achtfach vorbestrafte 30-Jährige den Inhalt der Anklage von Staatsanwältin Anna Reis ein. Demnach hatte er bei der ersten Tat am 27. Mai 2020 eine Freundin zur Entnahme einer Haarprobe in die Firma begleitet. Nach zwei Tagen ohne Betäubungsmittel hatte er leichte Entzugserscheinungen. Als er eine Geldkassette entdeckte und gerade niemand zu sehen war, griff er zu und setzte die 2 450 Euro Bargeld später in Drogen um. An der Box hinterließ er seine Fingerabdrücke. In den vergangenen Jahren hatte er – sofern er nach mehreren Verurteilungen nicht im Gefängnis saß – hauptsächlich Crystal Meth eingenommen, dazu Speed, Heroin und Subutex-Tabletten, ein Schmerzmittel. Bei dem Raubüberfall am Nachmittag des 19. August 2020 ging er, bewaffnet mit einem Taschenmesser, mit OP-Maske und Kapuze über dem Kopf getarnt, erneut in das Büro. Dort drohte er mit dem ausgeklappten Messer und forderte »Geld her«. Eine der zwei anwesenden Mitarbeiterinnen reagierte mit einem lauten »Nein« – weil sie an einen Scherz dachte. Der Täter erwiderte: »Doch. Geldkassette her.«

Verletzungen nach Gerangel

Zwischen dem 30-Jährigen und der Zeugin kam es zu einem Gerangel, bei dem sie eine Verletzung am Finger, eine Schulterprellung und Schmerzen am Fuß davontrug. Die Zeugin unterstrich: »Ich denke, er wollte das Messer nicht einsetzen und hatte es nur zur Bedrohung dabei.« Die Verletzungen seien folgenlos verheilt. Den Vorfall psychisch zu verarbeiten, habe ein paar Wochen gedauert. Sie sei jedoch gleich am nächsten Tag wieder ins Büro gegangen, um keine Ängste aufzubauen: »Die Arbeitsstelle kann ja nichts dafür.« Mit Widerstand rechnete der 30-Jährige laut Verteidiger nicht, wollte auch niemand etwas antun. Dass er eine Angestellte verletzt hatte, habe der Angeklagte nicht registriert. Der Verteidiger wörtlich: »Der Vorfall tut ihm leid.«

Auf der Flucht, bei der er auf der Straße in ein Auto prallte, entledigte sich der Räuber mehrerer Kleidungsstücke und warf Geld auf die Straße, um die Verfolger auf Distanz zu halten. Mehrere Personen liefen dem hinkenden, nicht sehr fit wirkenden Räuber hinterher – unter anderem die Tochter der verletzten Angestellten. Der 30-Jährige feuerte die Kassette letztlich weg. Die Zeugen sammelten die Scheine ein. Von den ihm noch verbliebenen 200 Euro erwarb der Täter hinterher Drogen.

Eine große Fahndungsaktion lief nach dem Überfall an, die Kripo Traunstein ermittelte. Der Sachbearbeiter bezifferte die Schadenshöhe mit 3 764,57 Euro. Der Täter sei damals über das Bauhofgelände geflüchtet. Hinter dem Gebäude wurden unter anderem Kleidungsstücke des Angeklagten und die OP-Maske gefunden. Die darauf sichergestellten Genspuren führten zu einem Treffer in der DNA-Kartei.

Mitarbeiter nun besser geschützt?

Auf den Angeklagten als Täter des Diebstahls im Mai 2020 kam die Kripo über die Freundin, die an jenem Tag einen Termin in der Begutachtungsfirma hatte. Das Unternehmen hat übrigens seine Sicherheitsmaßnahmen verbessert, wie die verletzte Mitarbeiterin informierte: »Wir haben schwierige Klienten. Mittlerweile wurde eine Zwischentüre mit Klingel eingebaut. Außerdem haben wir kaum mehr Bargeld im Büro. Wir bieten EC-Karten-Zahlung an.« Der psychiatrische Sachverständige, Dr. Stefan Gerl aus Gabersee, attestierte dem voll schuldfähigen 30-Jährigen – der noch nie eine Therapie gemacht hat, aber therapiewillig ist – eine Suchtmittelabhängigkeit von Jugendjahren an. Die Voraussetzungen für Unterbringung zum Entzug seien erfüllt.

Unterbringung

In der Frage der Unterbringung waren sich am Prozesstag alle Prozessbeteiligten einig. Staatsanwältin Anna Reis plädierte darüber hinaus auf eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren zehn Monaten – wegen besonders schweren Raubs, wegen vorsätzlicher und gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Diebstahls. Den Vorwegvollzug im Gefängnis bezifferte die Anklägerin mit 17 Monaten. Unter den strafmindernden Aspekten nannte sie den Suchtdruck und die dilettantische Tatausführung. Nur eine einzige gefährliche Körperverletzung, einen minderschweren Fall des besonders schweren Raubs und einen Diebstahl wollte Verteidiger Dr. Kai Wagler mit vier Jahren Haft geahndet wissen. Das Geständnis habe großen Wert: »Keiner der Zeugen konnte den Angeklagten identifizieren.« Im Urteil nahm auch das Gericht lediglich einen Fall der gefährlichen Körperverletzung an – wegen des einheitlichen dynamischen Geschehens bei dem Gerangel. Ansonsten deckten sich der Schuldspruch und die Höhe der Strafe mit dem Antrag der Staatsanwältin. Die Zweite Strafkammer ordnete einen Vorwegvollzug von 17 Monaten Freiheitsstrafe vor Wechsel in die Unterbringung an.

kd

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