Den Rufbus lässt die Stadt seit fünf Jahren durch Traunstein fahren. Der Achtsitzer kurvt montags bis freitags – mit Mittagspause – von 8 bis 19 Uhr sowie am Samstag von 8 bis 13 Uhr durch Traunstein. Wer mitfahren will, ruft eine Stunde vor dem Zusteigen unter Telefon 0861/9 86 60 77 an – und schon ist der Platz reserviert. Zu zahlen sind pauschal 1,70 Euro.
»Für mich ist jede Route neu«
»Ich fahre kreuz und quer durch die Stadt«, sagt Harald Baader, der heute am Steuer sitzt. Pro Stunde dreht er eine große Runde durch Traunstein. Die Strecke, die er zurücklegt, ist aber jedes Mal eine andere. So sind zwar 59 Haltstellen eingerichtet, doch Baader steuert nur die Stationen an, wo jemand ein- oder aussteigen will. »Für mich ist jede Route neu.«
Edith Eichinger steigt an der Haltestelle Wasserburger Straße Höhe Einmündung Rupprechtstraße aus – und selbstverständlich bekommt sie Hilfe. Harald Baader ist vom Fahrersitz aufgestanden und bietet ihr beim Aussteigen den Arm an. Und dann hebt er den Rollator aus dem Bus. »Mir wird immer geholfen«, sagt die 84-Jährige, die auf die Gehhilfe angewiesen ist. Und diesen besonderen Service schätzt die Seniorin sehr, zumal sie diese Unterstützung, wie sie erzählt, beim Ein- und Aussteigen »in einem normalen Linienbus« nicht angeboten bekommt.
Auch Christa Gruber fährt heute wieder einmal nur zu gerne mit dem Rufbus. Auch die 76-Jährige ist längst nicht so mobil wie viele andere Bürger. In Haidforst wohnt sie – und dort bleibt nur selten ein »normaler« Bus stehen, der sie in die Stadtmitte bringt. »Einmal in der Früh und einmal am Mittag fährt ein Bus«, erzählt sie. Der Öffentliche Personennahverkehr sei, wie sie kurz und bündig meint, schlicht und ergreifend eine Katastrophe. Der Rufbus hingegen kommt, wenn sie ihn braucht, jede Stunde. Und die 76-Jährige greift auch oft zum Telefon, um sich anzumelden. Schließlich muss sie immer wieder in die Stadt – nicht zuletzt, wie sie erzählt, zum Einkaufen oder auch zum Arzt.
Rund 1000 Fahrgäste im Monat
Die Stadt hat den Rufbus Ende 2014 auf die Reise geschickt. In ihrem Auftrag zeichnet die Regionalverkehr Oberbayern (RVO) GmbH für den Betrieb verantwortlich beziehungsweise letztlich der Malteser Hilfsdienst, dem die RVO die Fahrten übertragen hat. Jahr für Jahr ist der Rufbus ein Draufzahlgeschäft für die Stadt, das sie sich jedoch leistet, weil sie sich in einer sozialen Verantwortung nicht zuletzt auch und gerade den Älteren gegenüber sieht.
Immer mehr Bürger in Traunstein nutzen das Angebot. »Am Anfang hatten wir rund 300 Fahrgäste pro Monat«, sagt Baader. Jetzt, bald fünf Jahre nach der Jungfernfahrt am 15. Dezember 2014, ist die Zahl seinen Angaben zufolge auf 1000 gestiegen. Und Baader muss es wissen: »Jeder Fahrgast wird erfasst« – anonym, wie er sagt.

Jeder darf einsteigen, doch nicht alle Altersgruppen nutzen den Service der Stadt auf die gleiche Weise. Die Kunden, die auf den acht Sitzen im Kleinbus Platz nehmen, seien in der Hauptsache, wie Baader weiter erzählt, ältere Damen zwischen 60 und 90 Jahren – oft auch Witwen, die mit dem Verlust des Ehemanns auch den Partner verloren haben, der im Auto immer am Lenkrad gesessen ist. Viele Fahrgäste seien gehbehindert – womit etwa der Transport von Rollatoren zum Alltagsgeschäft von Baader gehört.
Der Fahrer des Rufbusses betont aber auch, dass bisweilen auch Mütter mit ihren Kindern einsteigen – oder aber auch Mädchen und Buben ganz allein. So bringt er Kinder nach Hause, die im Hort »Die Murmel« waren und nach der Betreuung von der Mama oder dem Papa nicht abgeholt werden können.
Mit dem Bus zum Arzt und zum Einkaufen
»Dass es den Rufbus gibt, finde ich toll«, sagt Ursula Metz, die jetzt im Rufbus Platz genommen hat. Auf Empfehlung der Nachbarin habe sie das Angebot vor knapp zwei Monaten einmal ausprobiert. Und seitdem ist sie ein Stammgast, der drei- bis viermal in der Woche in den Bus einsteigt. Einmal fährt sie zum Arzt, einmal zum Einkaufen, oder sie verbindet gar beides. Eine Fahrt kostet schließlich nur 1,70 Euro. Diesen Preis findet die 75-Jährige, wie sie zu verstehen gibt, mehr als nur ok.
Nicht still in der Ecke sitzen die Fahrgäste, sie unterhalten sich – man kennt sich. Sie entpuppen sich als Köchinnen und tauschen Rezepte aus. »Bei mir haben die Fahrgäste die Möglichkeit, sich zu unterhalten«, sieht Baader den Rufbus auch und gerade als Ort für die Aufnahme sozialer Kontakte – was seinen Angaben zufolge von großem Wert ist. Schließlich laufen viele Fahrgäste, vor allem jene, die verwitwet sind, Gefahr, zu vereinsamen.
Wie fast jeden Tag sitzt Karin Hofreiter auch heute wieder im Rufbus. Von zuhause fährt sie regelmäßig zum Maxplatz und wieder zurück. Dort findet die 75-Jährige alles, was sie braucht: den Hausarzt, den Metzger und den Bäcker. Der Rufbus verleiht der Schwerbehinderten die Füße, die sie für ihre Unternehmungen benötigt. Sie ist »unendlich dankbar«, dass sie im Achtsitzer Platz nehmen darf. »Ohne Rufbus wäre ich arm dran.« pü