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Julia und Luca erzählen am »Tag des brandverletzten Kindes« von dem schweren Unfall des Buben und seinen Folgen – um anderen Familien das zu ersparen, was sie nun durchmachen.
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Lucas Gesicht nach dem Unfall: Die Redaktion hat sich für dieses Bild entschieden, um deutlich zu machen, was ein vermeintlich kleiner Fehler für Auswirkungen haben kann. Und auch, um zu zeigen, was Luca schon alles geschafft hat.

Nichts ist wie vor dem Unfall: Stichflamme verletzt Luca (9) schwer

Traunstein – Dieser Tag vor eineinhalb Jahren hat sein Leben komplett verändert. 17 Operationen hat Luca (9) bereits hinter sich, unzählige noch vor sich. Der Bub wird bei einem Brandunfall schwerst verletzt. Besonders betroffen sind das Gesicht, der Hals und die Arme. Damit andere Familien nicht das durchmachen müssen, was die Traunsteiner Familie nun erlebt, erzählen Mama Julia und er ihre Geschichte – am »Tag des brandverletzten Kindes«.


Was als lustiger Nachmittag bei Freunden beginnt, endet am 24. Juni 2020 in einer Katastrophe. Luca steht in Flammen, nachdem der Vater eines Freundes mehrfach Spiritus ins Lagerfeuer kippt. »Das Heimtückische ist, dass eine unsichtbare Gaswolke entsteht. Dann kommt es zur Explosion«, sagt Julia, die nicht dabei ist, als es passiert.

Luca erzählt, dass alle ums Lagerfeuer standen. Er sei sogar am weitesten weggewesen, als plötzlich eine Stichflamme in seine Richtung schießt. »Dann habe ich gebrannt. Der Vater meines Freundes hat auf mich eingeschlagen, um die Flammen zu löschen. Mein Freund hat den Gartenschlauch genommen«, erinnert sich Luca.

Als seine Mama von dem Unfall erfährt, denkt sie zunächst, Luca hätte sich die Hände verbrannt. Das Ausmaß wird erst im Krankenhaus klar. »Überall hing die Haut runter. Es war schrecklich«, sagt sie. Im Klinikum Traunstein wird Luca sofort ins künstliche Koma gelegt. Dann kommt er ins Schwabinger Krankenhaus, das auf brandverletzte Kinder spezialisiert ist. Insgesamt muss Luca einen Monat durchgehend im Krankenhaus bleiben, davon eine Woche im künstlichen Koma. »Alle zwei Tage wurde er operiert. Oft konnten sie keinen Zugang legen, weil alles verbrannt war. Luca bekam dann einen Zugang über die Füße«, erzählt Julia und hat Tränen in den Augen. Die Erinnerungen an die erste Zeit im Krankenhaus direkt nach dem Unfall nehmen sie noch immer mit.

Die Kopfhaut von Luca wird abgenommen und in Gesicht und Armenverpflanzt. »Der Leitende Oberarzt, Dr. Carsten Krohn, ist eine wirkliche Koryphäe auf diesem Gebiet«, sagt die Traunsteinerin. »Die Kopfhaut eignet sich am besten für Hauttransplantationen – und sie wächst nach. Unser Glück war, dass die Haut gut angenommen wurde.«

Doch das Ganze ist eine Tortur. Luca darf sich fünf Tage überhaupt nicht bewegen. Die regelmäßigen Verbandswechsel sind extrem schmerzhaft. Beim Schlafen muss sein Hals nach hinten überstreckt werden, damit sich die verbrannte Haut am Hals dehnt. »Er schlief maximal zwei Stunden am Stück. Oft war er 22 von 24 Stunden wach«, sagt Julia. Sie hat sich mit ihrem Mann in den Nächten abgewechselt, ansonsten hätte sie das nicht durchgehalten.

Die Oma von Luca steht derweil mit dem Wohnwagen vor dem Schwabinger Krankenhaus – vier Wochen lang. Und das, obwohl sie aufgrund von Corona nicht in die Klinik darf. Aber sie will ihrem Enkel nahe sein. »Meine Oma tut alles für mich«, sagt Luca und lacht. Zum Beispiel Bestellungen aus dem Krankenhaus per Telefon annehmen – und dann einen Schokoladendrink liefern, wie er mit einem Grinsen erzählt. Denn seine Mama hat nichts davon mitbekommen und ist überrascht, als es heißt: »Der Schokodrink ist da. Du kannst ihn an der Pforte abholen.«

Auch Julias Schwester, die in München lebt, ist immer zur Stelle, wenn die Familie Hilfe braucht. »Sie ist eine Riesenunterstützung. Ohne sie wären wir nicht da, wo wir jetzt sind«, sagt Julia. Ihre Schwester ist Psychologin und hilft Luca in schwierigen Phasen.

Neben den vielen Vollnarkosen bekommt Luca im Krankenhaus auch extrem starke Schmerzmittel. »Nach denen hat er geradezu gebettelt«, erzählt seine Mama. Doch das macht auch etwas mit Kindern. Luca bekommt Halluzinationen von den vielen Medikamenten und ist oft nicht er selbst.

Die Zeit im Krankenhaus ist hart, doch auch zu Hause ist es anfangs »extrem schwer«, wie Julia sagt. Ihr Bub muss in einen Kompressionsanzug gepresst werden. Darunter juckt die heilende Haut. »Wir haben ein halbes Jahr kaum geschlafen.«

Das ist nun zwar vorbei, doch der Unfall und die dramatischen Folgen sind immer Thema in der Familie. »Es vergeht eigentlich kein Tag, an dem mein Mann und ich nicht darüber sprechen. Meistens abends, wenn Luca im Bett ist.« Denn es stehen permanent weitere Behandlungen und Operationen an. Narbengewebe wächst nur eingeschränkt mit. Besonders betroffen sind Lucas Hals, die Arme und der untere Teil seines Gesichts. »Wir sind so froh, dass er die Augen geschlossen hatte, als die Stichflamme kam. Ansonsten wäre er jetzt wahrscheinlich blind.« Und Dr. Krohn ist sie dankbar, dass er nicht sofort das komplette Gesicht transplantieren wollte. »Er sagte zu uns: 'Ich würde gerne abwarten, wie es sich im oberen Teil verhält.' Wir haben ihm einfach vertraut.« Und das war die richtige Entscheidung.

Auf die Frage, wie stark dieser Unfall ihr Leben verändert hat, sagt Julia: »Zu 100 Prozent. Wir fühlen uns nur noch gehetzt und gestresst.« Sie spricht für sich und ihren Mann. Luca sieht es gelassener – wie viele Kinder in einer Ausnahmesituation. Der Neunjährige freut sich einfach, dass er wieder in seine Schule, die Montessorischule in Traunstein, gehen kann, sich mit Freunden treffen kann und Tennis spielen darf. Sein größter Wunsch ist, Dr. Benx zu treffen. »Das wäre ein Traum«, sagt Luca. Denn der Youtube-Star hat ihn in vielen schweren Stunden – im Krankenhaus, aber auch zu Hause – abgelenkt.

Für Mama Julia ist vor allem wichtig, aufmerksam zu machen auf die Gefahren, die von Feuer ausgehen können – gerade jetzt in der Weihnachtszeit. »Wir haben ein Mädchen kennengelernt, von dem ist nicht mehr viel übrig. Es hat sich an einem kleinen Teelicht entzündet.« Und zu ihrer Geschichte betont sie: »Niemals Spiritus ins Feuer gießen, wirklich niemals!« Denn die Folgen können dramatisch sein.

Klara Reiter

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