Einen weitgehend positiven Trend verzeichnen die Berufs- und Fachschulen im Landkreis Traunstein zu Beginn des neuen Ausbildungsjahres. Die Schülerzahlen und damit zumeist die Ausbildungszahlen sind überwiegend gestiegen, wenngleich sich in den einzelnen Fachrichtungen doch ein recht differenziertes Bild zeigt.
Handwerk könnte mehr Fachkräfte brauchen
Klassische »Modeberufe« legen zu, weniger nachgefragte Fach- und Ausbildungsrichtungen sind oft »out« unter den jungen Leuten, Betriebe tun sich trotz intensiven Werbens oft schwer, den Nachwuchs der nächsten Jahre zu generieren. Immer wieder hört man gerade vom Handwerk, dass man mehr Aufträge annehmen könnte, wenn man genügend Fachkräfte fände und ausbilden könnte.
»Irgendwann wird es leichter, einen Steinpilz zu finden, als einen guten Handwerker«, meint etwa Andreas Weinzierl, Obermeister der Schreiner-Innung Traunstein und sieht für eine Ausbildung im Handwerk den sprichwörtlich »goldenen Boden« wie er den künftigen Schreinern am Montag in der Berufsschule die berufliche Zukunft schmackhaft machte.
Quer über Fachrichtungen hinweg gemein ist das Bemühen, die berufliche der akademischen Bildung gleichzustellen. An den Berufsschulen zeigt sich dabei ein überwiegend erfreuliches Bild, die Schülerzahlen steigen in der Breite.
Schulleiter Wolfgang Kurfer freut sich über 856 neue Schüler an der Berufsschule I Traunstein, was einer Steigerung von 9,5 Prozent entspricht. Besonders beliebt sind dabei Industrieberufe der Bereiche Metall, Elektro und IT, wobei letztere einen besonders starken Zuwachs zu verzeichnen haben. »Das ist mit Sicherheit mit der zunehmend starken Digitalisierung zu begründen«, sieht er die Ursachen in den erwartet guten Aussichten einer technikaffinen jungen Generation.
Die muss sich allerdings langfristig möglicherweise auf eine Verkleinerung des gastronomischen Angebots einstellen, wenn es in den Ernährungsberufen keine Trendwende gibt. So meldet Kurfer hier auch heuer eine deutlich rückläufige Tendenz. Nachdem man schon vor einigen Jahren die Ausbildung der Metzger nach Rosenheim abgeben musste, schwächeln die Ausbildungsrichtungen der Gastronomie- und Nahrungsmittelabteilung weiter.
Die gute Entwicklung dürfte man auch im Landratsamt positiv zur Kenntnis nehmen: Steckt der Sachaufwandsträger doch in der größten Schulsanierung in der Geschichte des Landkreises von 2018 bis 2022 rund 48 Millionen Euro in den Umbau der Schule, um diese auf dem neuesten Stand zu halten.
Zweistelliger Zuwachs an der BS II
Zufrieden zeigt sich auch Schulleiter Andreas Gembala von der Berufsschule II Traunstein, an der besonders die Ausbildung in den kaufmännischen Berufen konzentriert ist. 574 Schüler haben dort ihre Lehre begonnen, bevorzugt als Pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte, Rechtsanwaltsfachangestellte, Fachkraft für Lagerlogistik und Fachlageristen und Kaufleute im Einzelhandel/Verkäufer. Gembala betonte, er hoffe die Schüler hätten einen Beruf gefunden, den »sie lieben und sie müssten keinen Tag mehr arbeiten« wie es Konfuzius beschreibt. 13,5 Prozent mehr Schüler und keinen Schülerrückgang in einzelnen Fachbereichen fand er sehr erfreulich.
Eine weitgehend gleichbleibende Entwicklung verzeichnet die Berufsschule III, in der eine Reihe von sozialen Ausbildungsrichtungen wie die Berufsfachschulen für Ernährung und Versorgung, Kinderpflege und Sozialpflege konzentriert sind. 256 neue Schüler erlernen dort ihren »Traumberuf«. »Es passt insgesamt, unsere Fachakademie für Sozialpädagogik könnte noch Schüler gebrauchen«, so Schulleiter Helmut Götzinger. Allerdings helfe auch ein gutes Ausbildungsangebot und ein potenziell attraktives Berufsbild nichts, wenn es zu wenig Stellen gibt. »Wir haben wenig Gärtner in der Fachstufe. Aber hier wären einfach mehr Ausbildungsbetriebe nötig«, betont er.
Kontinuität ist weitgehend Trumpf in der Berufsschule der Jugendsiedlung in Traunreut. Mit 807 Schülern verzeichnet man einen Schülerzuwachs von knapp vier Prozent gegenüber dem Vorjahr, wie die neue Schulleiterin der privaten, staatlich anerkannten Berufsschule zur sonderpädagogischen Förderung, Corina Sperr-Baumgartner auf Nachfrage betont. Besonders beliebte Berufe sind dabei Verkäufer, Einzelhandelskaufleute und KFZ-Mechatroniker, der sich vom klassischen »Autoschrauber« hin zu einem Berufsbild entwickelt hat, in dem Kenntnisse im Bereich von computergesteuerten Prüfgeräten erforderlich sind und in dem – in Zeiten von Hybrid- und Elektroantrieben – eine ganze Branche im Wandel begriffen ist.
Jugendsiedlung fördert jeden Schüler individuell
Die Berufsschule der Jugendsiedlung hat weiterhin große Berechtigung im regionalen Schulangebot, gibt man dort doch die Devise aus, »jede Schülerin und jeden Schüler individuell zu unterstützen und auf dem Weg in das Berufs- und Arbeitsleben zu begleiten, wofür Lehrkräfte und pädagogische sowie psychologische Fachkräfte in den Bereichen Schule, Ausbildung und Wohnen der Jugendsiedlung zusammenarbeiten«.
Einig sind sich alle Ausbilder und Lehrer, dass es großer Anstrengungen bedarf, die jungen Menschen erfolgreich durch die Ausbildungszeit zu lotsen; werden doch langfristig im Mittel bis zu einem Viertel der Ausbildungsverhältnisse vorzeitig gelöst. awi