Mit Talent und Fleiß durchaus gut verdienen
Nach zwei Jahren im Betrieb besuchte sie ein halbes Jahr lang die Meisterschule, die sie mit Auszeichnung abschloss. Weil sie ihre Gesellenprüfung derart gut abgeschlossen hatte, erhielt sie damals für die Meisterschule von der Handwerkskammer ein Stipendium mit Begabtenförderung. »Man braucht schon ein bissl Talent und Fleiß, aber dann kann man durchaus gut verdienen«, sagt sie zu dem Hauptvorurteil, das immer noch manchen jungen Menschen von dieser Berufswahl abhält.
Und natürlich ist es von Vorteil, sich möglichst breit aufzustellen. »Die Kosmetikschule ist eine Privatschule, und ja, das kostet richtig Geld«, sagt sie zu ihrer zweiten Ausbildung, die auch einige medizinische Dinge wie zum Beispiel Massagen oder etwa Lymphdrainagen beinhaltet. Und mit der Weiterbildung zur Visagistin eröffnet sich zum Beispiel die durchaus lukrative Möglichkeit, als selbstständige Unternehmerin etwa Bräute oder auch Fotomodels zu frisieren und zu schminken.
15 Jahre lang war Sylvia Mayer in der ganzen Welt unterwegs, arbeitete unter anderem ein Jahr lang auf dem Kreuzfahrtschiff Aida. Schon früh reifte in ihr der Plan, an der Berufsschule zu unterrichten. Seit vier Jahren gibt sie jetzt ihr Wissen an jüngere Kolleginnen weiter.
»Schade ist wirklich, dass die meisten gar nicht wissen, was dahinter steckt, weil es ein so kreativer Beruf ist«, sagt Sylvia Mayer. »Das ist ja nicht nur Haare schneiden, das ist regelrecht eine Kunst«, sagt sie mit Blick etwa auf den neuesten Trend, den Callygraphy-Haarschnitt. Dabei werden die Haare wie Rosen schräg geschnitten, was für mehr Volumen und Glanz sorgen soll, wie die Friseurmeisterin erklärt. »Und Psychologen sind wir auch noch. Was glauben Sie, was wir alles zu hören kriegen!«
Auch Anna-Maria (28) ist überzeugt vom Friseurberuf. Nach dem Abitur lernte sie Bankkauffrau, arbeitete dann vier Jahre lang in einer Steuerkanzlei und verdiente gutes Geld, aber es fühlte sich nicht richtig an.
Und so beschloss sie, eine zweite Ausbildung beim Friseur dranzuhängen. »Vor allem Schminken und Make-up waren schon immer meine Passion«, erzählt sie, während ihr Sylvia Mayer zeigt, wie sie die »perfekte Welle« auf den Übungskopf zaubert.
»Wow, da möcht'ich arbeiten!«
Den Gedanken trug sie schon längere Zeit mit sich herum, aber forcierte die Ausbildung nicht direkt. »Ich hab' mir gedacht, das Richtige kommt schon zur rechten Zeit.« Beim Besuch des Salons von Helmut Koller in Traunstein, in dem eine Freundin arbeitet, fiel ihr die tolle Atmosphäre auf: »Mein erster Gedanke war, wow, da möcht ich arbeiten«. Und so absolviert sie gerade das erste von zwei Lehrjahren und ja, diesmal fühlt es sich richtig an.
Natürlich wäre ohne finanzielle Unterstützung eine zweite Ausbildung schwieriger, aber das Vorurteil, dass Friseure so wenig verdienen, hat sie nicht davon abgehalten, das Wagnis einzugehen: »Ich bin davon überzeugt, dass man überall gut verdienen kann, wenn man etwas wirklich will.«
Doch wäre sie in ihrem alten Beruf schneller ersetzbar als im Handwerk, erklärt die junge Frau. »Ich bin ein kreativer Mensch, aber ich musste erst den Umweg über 'etwas Vernünftiges' gehen. Aber mir konnte ja nix passieren. Ich hab' gewusst, ich geh' nicht unter, notfalls könnt' ich mir mit meiner kaufmännischen Vorausbildung auch jederzeit etwas anderes suchen«, sagt sie. »Aber man muss sich auch mal etwas trauen.«
Und man sollte Schritt für Schritt gehen und sich nicht zu große Ziele setzen, findet sie: »Natürlich ist der Meister nicht ausgeschlossen, aber jetzt mach' ich erstmal meine zwei Jahre Ausbildung, und dann schau' ich, wo's mich hin zieht.«
Klar hätten ihre Eltern zunächst nicht gerade begeistert reagiert, als sie sich für die Friseur-Ausbildung entschied, aber: »Eltern vergleichen halt gern mit sich selbst. Aber jetzt sehen sie ja, dass ich das stemme.« Bewusst habe sie auch erst noch mit ganz vielen Freunden und Bekannten gesprochen, und immer wieder habe sie dabei zu hören bekommen, dass Friseur ein Knochenjob sei.
»Mich ärgert es eigentlich eher, dass Friseure auch gern so bissl blöd hingestellt werden, weil man halt nur den Hauptschulabschluss braucht«, sagt sie. Vielleicht falle ihr Deutsch, Englisch und Mathe in der Berufsschule leichter als anderen, »aber das Fachspezifische ist für mich genauso Neuland wie für alle anderen.«
»Das Leben lässt einen nicht allein«
Unterm Strich betrachtet würde sie die Entscheidung aber auf alle Fälle jederzeit wieder treffen. »Ich kann nur jedem raten, seine Visionen zu leben, die Entscheidungen nicht blauäugig, sondern bewusst zu treffen. Aber im Endeffekt lässt einen das alles weiter wachsen. Das Leben lässt einen nicht allein, man stirbt nicht von einer solchen Entscheidung«, sagt sie voller Überzeugung und mit einem strahlenden Lächeln.
»Aber langfristig ist man glücklicher, wenn man auch mal etwas ausprobiert, ohne das Ende zu kennen. Die Angst ist oft nur ein Indikator dafür, Gewohnheiten hinter sich lassen und Kontrolle abgeben zu müssen. Alles, was man braucht, ist das Vertrauen zu sich selbst, den Glauben an das Leben und vielleicht auch ein bissl Glück.«
coho