Wie bediene ich einen Geldautomaten? Wie tätige ich eine Überweisung? Welche finanziellen Verpflichtungen gehe ich mit meinem Handyvertrag ein? Fragen wie diese beschäftigen viele Geflüchtete, die neu in Deutschland sind. In ihren Herkunftsländern hatten sie häufig keinen oder nur eingeschränkten Zugang zum Finanzsystem, es galten andere Regeln und die Bildung in Sachen Geld fehlte. Sich nun im deutschen Finanz- und Steuersystem zurechtzufinden scheint schier unmöglich, Fragen dazu werden oft aus Angst nicht gestellt.
Mit diesem und anderen Problemen unserer Gesellschaft konfrontieren Experten und Expertinnen aus unterschiedlichen Fachrichtungen junge Menschen im Wettbewerb »Young Economic Summit« (YES). Die besten Ideen werden prämiert und realisiert.
Mit einem Team aus elf Schülerinnen der Jahrgangsstufe 11 nahm das Annette-Kolb-Gymnasium Traunstein am Wettbewerb teil. Die Mädchen wurden bei der Suche nach einer Lösung zudem von Forscherinnen des ifo-Instituts München unterstützt.
Unter dem Titel »Get together to get better« entwickelte die Gruppe die Idee eines Tutorensystems für Geflüchtete und trat damit gegen nationale und internationale Konkurrenz an. In Präsentationen und Diskussionen mussten die Nachwuchsökonominnen ihr Projekt vorstellen und kritischen Fragen begegnen. Dabei war neben sachlicher Kompetenz auch sprachliche gefragt, lief doch der Wettbewerb in englischer Sprache ab. Nach ihrem Sieg auf regionaler Ebene setzten sich die Traunsteinerinnen schließlich auch im Finale durch und erreichten, hinter einem Team aus Gelsenkirchen, Platz 2. Die Idee wird nun ab Herbst realisiert. Unterstützung erhalten die Schülerinnen dabei von den Traunsteiner Maltesern.
Das prämierte Projekt ist eine Art »Partnervermittlung« in Sachen Finanzsystem. Herzstück des Traunsteiner Projekts ist der Gedanke, möglichst niederschwellig Hilfe anzubieten: »Wir wollen einen gemeinnützigen Verein gründen, der wie eine Art »Partner-Vermittlung« funktioniert. Die Geflüchteten werden an freiwillige Einheimische vermittelt, die ihnen dann bei Alltagsproblemen, vor allem im Finanzbereich, helfen. Dadurch, dass es einen konkreten Ansprechpartner gibt, der nicht eine staatliche Stelle vertritt, wollen wir den Geflüchteten vor allem die Angst davor nehmen, ihre Fragen überhaupt zu stellen.«, erklärt Teammitglied Hannah Kretzschmar. »Mit unserem Preisgeld aus dem Regionalwettbewerb drucken wir Info-Flyer, die wir dann in den klassischen Anlaufstellen für Geflüchtete, wie bei der Caritas oder Diakonie auslegen. Andererseits versuchen wir, Freiwillige zu finden, die bereit sind, mit ihrem Wissen zu helfen.«
Letztere sollen auch aus der Schule selbst kommen. Das ist Ute Heim, die als Lehrerin das Wettbewerbsteam betreut, besonders wichtig. Sie sieht auch einen pädagogischen Mehrwert des Projekts: »Langfristig soll es so sein, dass von Schulseite Manpower und Wissen in das Projekt fließen. Alle Schülerinnen und Schüler, die mitmachen möchten, werden speziell auf diese Aufgabe vorbereitet, sodass sie ihr im Unterricht erworbenes Wissen gezielt weitergeben können und auch erfahren, dass sie damit anderen ganz konkret helfen.«
Als regionalen Partner konnten die Schülerinnen die Traunsteiner Malteser gewinnen. Die Hilfsorganisation stellt ihre Räumlichkeiten zur Verfügung und unterstützt auch mit ihrer Erfahrung in der Arbeit mit Geflüchteten. »Es wäre schön, wenn durch die Zusammenarbeit mit den Maltesern unsere Idee – wenn sie gut funktioniert – zu einer fixen Einrichtung in Traunstein werden kann«, wünscht sich Projektmitentwicklerin Hannah.
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