Vor sieben Jahren begannen die Planungen für ein stationäres Hospiz in Südostbayern. Nach Stefan Scheck ging die Initiative aus von den Hospizvereinen in Traunstein, Prien und Rosenheim. Alle Vereine hatten ein gemeinsames Ziel – den Bau eines Hospizes. Ein »Glücksfall« für das Projekt war Alois Glück, prominenter Politiker und damals Vorsitzender des Hospiznetzwerks Südostbayern. »Alois Glück hat viele Türen geöffnet«, betonte Scheck. Nach der so genannten Kennzahl von 1:60.000 (das bedeutet: ein Hospizplatz pro 60.000 Einwohner) seien zehn Plätze möglich gewesen. Die Finanzierung der erforderlichen 6,2 Millionen Euro hätten sich die Beteiligten auf der Basis der Einwohnerzahlen geteilt. Die Kassen erstatteten 95 Prozent der Kosten. Das Defizit von 150.000 bis 200.000 Euro jährlich trügen die Landkreise und die Stadt Rosenheim. Stefan Scheck hob heraus: »Das Chiemsee-Hospiz ist kein gewinnorientierter Betrieb.«
Die praktische Seite beleuchtete Ruth Wiedemann vor dem Ausschuss. Sie selbst sei seit 30 Jahren Krankenschwester, davon zehn Jahre in einer Palliativeinrichtung, und habe die Hospizleitung im Mai 2021 übernommen. Inzwischen gebe es eine lange Warteliste an Patienten. Die Einrichtung werde sehr gut angenommen – von Menschen, die, etwa nach Entlassung aus einer Klinik, weder zuhause noch in einem Pflegeheim versorgt werden können. Im Hospiz verbrächten sie ihre letzte Lebenszeit, in der Regel Tumorpatienten, Personen mit neurologischen oder Herzerkrankungen. Die Lebenserwartung liegt nach Frau Wiedemann »bei zwei Tagen bis mehreren Wochen«: »Ein Patient ist zwei Stunden nach seiner Ankunft gestorben. Eine Frau ist seit November 2020 bei uns.« Durchschnittlich betrage die Zeit in einem Hospiz 21 Tage.
Zu »hundert Prozent Fachkräfte« kümmerten sich um die Betroffenen, unterstrich Stefan Scheck ergänzend. Und weiter: »Es gehört Talent dazu, in einem Hospiz tätig zu sein und Menschen am Ende zu begleiten. Ausbildung und Erfahrung in der Altenpflege reichen nicht.« Auch Intensivpflegekräfte beschäftige das Hospiz nicht, vielmehr examinierte »Palliative Care«-Pflegekräfte. Anfangs sei seine größte Sorge gewesen, kein geeignetes Personal zu finden: »Dann trafen schon 2016 erste Bewerbungen bei uns ein.«
Auf die Bedeutung des Chiemsee-Hospizes als wichtigem Teil des Gesamtkonzepts in der Seniorenpolitik des Landkreises verwies Landrat Siegfried Walch. Die stationäre Einrichtung in Bernau stehe nicht im Widerspruch zur ambulanten Palliativversorgung – »eher im Gegenteil«. Ein stationäres Hospiz habe gefehlt in der Region. Er sei dankbar, dass jeder Entscheidungsträger sofort hinter dem Projekt gestanden habe. Die Mitarbeiter leisteten »eine belastende Arbeit, die emotional nicht einfach ist«. Allen gebühre großer Dank, so der Landrat. In der Aussprache führte Dr. Michael Hüller, Bündnis 90/Die Grünen, an, die Kennzahl entspreche nicht der Realität. Der tatsächliche Bedarf sei höher. Dem stimmte Stefan Scheck zu: »Weitere neue Einrichtungen werden kommen müssen.« In Erding zu Beispiel existierten schon Pläne in dieser Hinsicht. In Bernau werde es mit Sicherheit bei den jetzigen zehn Plätzen bleiben. Er hoffe jedoch auf weitere Hospize im südostbayerischen Raum. Aktuell befänden sich die nächsten stationären Einrichtungen in München, Mühldorf und Salzburg, gab Scheck Auskunft auf Frage von Joachim Bernshausen, AfD. An die Palliativstationen an mehreren Krankenhäusern erinnerte Hospizleiterin Ruth Wiedemann. Die Kliniken verfügten über jeweils etwa zehn Betten: »Dort stirbt etwa ein Drittel der Patienten.«
»Äußerst interessant« fand Irmgard Siglreithmayer, CSU, die Vorstellung des Chiemsee-Hospizes. Wegen Corona habe es keinen »Tag der offenen Tür« gegeben. Das Thema Hospiz betreffe viele Bürger. Die Kreisrätin fragte, ob zehn Plätze»eine gute Größenordnung« seien. Das bejahte Vorstand Stefan Scheck. Generell seien zehn bis zwölf Plätze optimal: »Die Betreuung der Angehörigen ist für uns sehr wichtig. Unser Haus hat einen sehr familiären Charakter. Bei mehr Plätzen geht der verloren.« Aus seiner Sicht sei die Arbeit im Hospiz »äußerst anstrengend«, bereite aber »viel Spaß«. An anderer Stelle meinte Scheck: »Bei uns wird viel gelacht. Sterben gehört zum Leben dazu.«
kd