Der Verein veranstaltet seit Jahr und Tag – wenn ihm nicht gerade eine Pandemie bei allen Planungen und Bemühungen einen dicken Strich durch die Rechnung macht – den Georgiritt in Traunstein. Sehr viele Darsteller reihen sich immer wieder in den Zug mit ein. Weil sie an die alte Zeit erinnern möchten, weil sie Tradition und Brauchtum hochhalten wollen, tragen sie Kleider, so wie sie früher gang und gäbe waren, schwingen sie, ganz so wie einst, Fahnen und schlagen sie Trommeln. Unterm Jahr muss der Verein all diese Gegenstände aufbewahren, solche, die er für den nächsten Ritt wieder braucht, genauso wie jene, die ausgedient haben. Und zu diesem Zweck betreibt der altehrwürdige Verein zwei Lager in der Musikschule: eines im Keller und eines im Dachgeschoß.
Die Stadt Traunstein unterstütze den Georgive-rein und biete ihm eine Unterkunft, freut sich Schreiber. Schon seit Jahrzehnten dürfe man die Räume in der Musikschule nutzen – und zwar unterm Strich zum Nulltarif. Die Miete sei durch den Zuschuss gedeckt, den die Stadtverwaltung gewähre.
In Sorge ist der Vorsitzende, weil nun eines der beiden Lager wegbricht: Während das große Depot im Keller weiter zur Verfügung steht, aber nach wie vor schon bis unter die Decke voll ist, sind die Tage des kleinen unter dem Dach gezählt. Aufgrund der neuen Bestimmungen zum Brandschutz sei eine weitere Nutzung des Lagers, wie Schreiber erklärt, nicht mehr zulässig. Der Verein habe schon vor rund einem halben Jahrzehnt damit begonnen, diesen Aufbewahrungsort aufzulösen – doch so sehr sich alle zusammen auch bemühen, leer ist er längst noch nicht.
»Wo tun wir das Zeug hin?« Diese Frage beschäftigt Simon Schreiber schon seit Langem. Immer wieder einmal verkaufe der Verein das eine oder andere alte Stück, Uniformen hätten schon den Besitzer gewechselt, Fahnen oder auch Trommeln. Doch trotz aller Bemühungen seien immer noch viele Gegenstände hoch oben unter dem Dach eingelagert. Von oben nach unten transportieren könne man die Sachen nicht, denn das Depot im Keller sei nicht mehr aufnahmefähig.

Auch hat sich der Georgiverein schon umgeschaut, ob er womöglich in einem anderen Gebäude in der Stadt ein neues Lager aufmachen kann. Alle Bemühungen blieben bislang aber erfolglos. Der Verein sei nicht in der Lage, tief in die Tasche zu greifen und einen Raum anzumieten, also müsse er versuchen, eine kostenlose Bleibe zu bekommen – was jedoch alles andere als einfach sei. Schreiber lässt keine Zweifel und sagt, nicht in Frage komme ein Lager, »das etwas kostet«.
Verfügt der Georgiverein schon selbst über viele alte Gegenstände, die er nun nicht mehr aufbewahren kann, so ist ihm in den letzten Jahren außerdem der Nachlass des Patenvereins »zugewachsen«, das er nun auch noch irgendwie unterbringen muss. So erzählt Schreiber, dass sich der Veteranenverein aufgelöst habe – und dass der Georgiverein als Pate in der Pflicht und in der Verantwortung gestanden sei, alles, was von ihm noch übrig war, zu übernehmen. Und so steht in der Kammer im Dachgeschoß der Musikschule nun neben den Fahnen und Kleidern, die der Georgiverein als Zeugnisse früherer Georgiritte wohl oder übel aufbewahrt, auch noch die Gedenktafel, die an die im Krieg Gefallenen erinnert. Das Lager ist immer noch gut gefüllt – zum Leidwesen von Simon Schreiber.
pü