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Wenn im Geldbeutel Ebbe herrscht, wird es allerhöchste Zeit, sich Hilfe zu holen. Auch in vermeintlich aussichtslosen Fällen gibt es bei der Schuldnerberatung des Diakonischen Werks Unterstützung bei der Suche nach Lösungsmöglichkeiten – vorausgesetzt, der Ratsuchende ist zur aktiven Mitarbeit bereit. Foto: dpa

Für die Schuldnerberatung ist es nie zu spät

Traunstein – Die Situation war bedrückend. Nach Abzug der laufenden Kosten für Miete, Strom, Rundfunkgebühr und anderen nicht vermeidbaren Kosten blieben dem Rentner gerade mal 176 Euro im Monat zum Leben. Doch anstatt zu verzweifeln, tat er das einzig Richtige: Er ging zur Schuldnerberatung des Diakonischen Werks Traunstein.Dort konnte ihm geholfen werden. In seinem Fall waren die Umwandlung seines Kontos in ein Pfändungsschutzkonto, die Beendigung der Ratenvereinbarung mit einer Inkasso-Firma – bei 20 Euro monatlich stiegen die Schulden wegen der Zinsen stetig weiter – die Beantragung von Wohngeld und eine Schuldenregulierung durch Verbraucherinsolvenz die Lösung.


 

»Jede Leidensgeschichte ist anders«

»Aber jede Leidensgeschichte ist anders«, sagt Sozialpädagogin Doris Tanner-Perschl von der Schuldnerberatung. »Es gibt zahlreiche Gründe, warum Menschen in finanzielle Not geraten: Erkrankung, Sucht, Trennung, Scheidung, niedriges Einkommen, Altersarmut, Arbeitslosigkeit, gescheiterte Selbstständigkeit, der Tod eines nahe stehenden Menschen oder die Geburt eines Kindes. Aber ganz oft sind die Problemlagen komplex.«

Viele Betroffene seien überfordert und erschöpft. »Manche stecken den Kopf in den Sand, öffnen Briefe nicht mehr aus Angst, was aber in der Regel alles nur schlimmer macht«. Corona, explodierende Energiekosten und die Inflation verstärkten die Situation: »Wir stellen zunehmend hohe psychische Belastungen unserer Ratsuchenden fest«.

Ratsuchende mit niedrigen Einkommen könnten meist keine Rücklagen bilden, »weil der Haushalt auf Kante genäht ist«, hat Tanner-Perschl beobachtet. »Zunehmend kommen auch Menschen mit mittleren Einkommen, die ihre Ersparnisse aufgebraucht haben. Während der Corona-Krise sind unsere Ratsuchenden häufig trotz staatlicher Hilfen in finanzielle Not geraten.«

Reduzieren sich die Einkünfte durch Krankengeld, Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld oder beim Wegfall eines Minijobs, könnten Zahlungsverpflichtungen nicht mehr eingehalten werden. Oft werde dann versucht, Zahlungen aufzuschieben, Ratenkäufe zu tätigen, teure Kleinkredite aufzunehmen, umzuschulden oder Geld zu leihen. Übersteigen die Ausgaben die Einnahmen dauerhaft, spricht man von Überschuldung. Gerade bei Online-Käufen über Finanzdienstleister könne man schnell den Überblick verlieren – mit Folgen wie Mahngebühren, Inkassokosten, Kosten für Stundung oder Ratenzahlung.

Erst einmal Ordnung in die Finanzen bringen

Ordnung in die Finanzen bringen, ist daher eine ihrer ersten Aufgaben, so Tanner-Perschl. Dabei sind Ratsuchende bei ihr in besten Händen. Denn die Sozialpädagogin ist auch gelernte Bankkauffrau, kennt Gepflogenheiten, Notwendigkeiten, aber auch Lösungsmöglichkeiten. »Erst einmal müssen wir sehen, wie hoch die Schulden sind, bei wem und wie sie entstanden sind«, erklärt Tanner-Perschl. »Dann stellen wir zusammen einen Haushaltsplan auf, schauen die persönliche Situation an, informieren über Sozialleistungen, wirken auf die Klärung von Unterhaltsverpflichtungen hin, erarbeiten Ziele und einen Handlungsplan, unterstützen bei Verhandlungen mit Gläubigern und suchen nach Lösungswegen oder Entschuldungskonzepten«. Für eine Verbraucherinsol-venz ist in der Regel eine längere, umfangreiche Beratung notwendig. Eine Löschung von Negativeinträgen bei der Schufa erfolgt dann drei Jahre nach Erledigung der Schulden.

Besonders junge Menschen sollten sich Unterstützung von Erwachsenen holen, wenn sie erste Verträge für eine Wohnung abschließen oder beim Kauf eines Autos, damit sie finanziellen Überblick behalten. »Der Umgang mit Wünschen, Bedürfnissen und Geld sollte am besten bereits in den Grundschulen thematisiert werden«, meint Tanner-Perschl.

Viele Menschen schämten sich, die Schuldner- und Insolvenzberatung aufzusuchen: »Das bedeutet für viele große Überwindung«. Dabei sei es aber wichtig, Hilfe möglichst bald in Anspruch zu nehmen. Der Handlungsspielraum sei am größten, »wenn noch keine Zahlungsstörungen vorliegen, doch der Dispo immer weiter ausgeschöpft wird«.

Es sei aber nie zu spät, sich an die Beratungsstelle zu wenden. Vorrangig gehe es dann zunächst um die Existenzsicherung und Pfändungsschutzmaßnahmen. In manchen Fällen, etwa bei einer unbehandelten Suchterkrankung, könne nach der Existenzsicherung eine andere Beratungsstelle oder Einrichtung hilfreich sein.

Eigenmotivation und Mitarbeit sind wichtig

Voraussetzung sei aber immer die Eigenmotivation, die aktive Mitarbeit und Zusammenarbeit sowie die Offenlegung aller Verbindlichkeiten und Einkommen. »Wir arbeiten kostenfrei und vertraulich«, betont Tanner-Perschl. Sind dieseVoraussetzungen gegeben, können Berater und Ratsuchende gemeinsam eine Lösung erarbeiten. Beratungen finden am Martin-Luther-Platz 4 in Traunstein sowie im Mehrgenerationenhaus, Kantstraße 8 in Traunreut statt. Die Erstaufnahme erfolgt telefonisch Montag, Dienstag und Mittwoch, jeweils von 8.30, bis 9.30 Uhr unter Telefon 0861/9898-211.

coho

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