Ziel müsse sein, möglichst viel Energie selbst zu produzieren, besonders bei den Erneuerbaren. Dabei gelte der Grundsatz »sowohl als auch«: »Jede Option muss geprüft, untersucht und – soweit möglich – genutzt werden.« Der Landkreis habe die kreiseigene »Chiemgau GmbH« gebeten, eine Energiepotenzialstudie für den Bereich Strom ausarbeiten zu lassen. Ein Baustein sei die Windenergie. Den Auftrag für eine Studie dazu habe der TÜV Südbayern erhalten. Nach den jetzigen ersten Ergebnissen solle die Endfassung der Studie bis Ende 2022 vorliegen, so der Landrat. Der Landkreis habe bereits an das Bundeswirtschaftsministerium einen Förderantrag für einen »Projektmanager Energie« gestellt. Walch begründete: »Wir wollen keine Studie für die Schublade, sondern Ergebnisse dann auch realisieren.« Dazu wolle der Landkreis alle Beteiligten ins Boot holen. Die tatsächliche Umsetzbarkeit hänge von vielen Faktoren ab, darunter Netzanbindung, verfügbare Grundstücke, Baurecht, Immissionsschutzrecht, Naturschutzrecht und anderes mehr.
Vor dem Kreisausschuss, der gestern ausnahmsweise im großen Rathaussaal der Stadt Traunstein tagte, informierte Christian Nebl, Baujurist am Landratsamt, über die rechtlichen Rahmenbedingungen für Windanlagen. Angesichts der Siedlungsstruktur im Landkreis seien Windkraftanlagen nicht ohne weiteres möglich. Für Windräder ab 50 Metern Höhe beispielsweise, sei ein immissionsschutzrechtliches Verfahren notwendig. On-Shore-Anlagen seien mittlerweile zwischen 170 und 250 Meter hoch. Der aktuelle Regionalplan für die Region 18 enthalte nur relativ wenige Flächen für Windkraft. Viele Gebiete kämen nicht infrage. Im Landkreis Traunstein seien derzeit 0,7 Prozent der Fläche für Windkraft ausgewiesen, konzentriert auf das mittlere und nördliche Kreisgebiet. Unter anderen forderte Christian Nebl, der Freistaat Bayern müsse die bislang geltende 10H-Regel modifizieren. Umweltprüfungen hätten zudem eine große Komplexität angenommen.
Vom Bund vorgegeben sei laut Gesetz eine Fläche von 1,1 Prozent für Windkraft in Bayern bis 2027, bis 2032 sogar von 1,8 Prozent, betonte der Baujurist. Würden diese Werte nicht fristgerecht erreicht, sei überall Windkraft möglich. Auf der Ebene der Regionalverbände müssten jetzt die Vorrangflächen überarbeitet werden, fuhr der Referent fort. Jede Region müsse 1,1 Prozent ihrer Fläche für Windkraft erreichen. Der Landkreis Traunstein habe somit noch eine Aufgabe vor sich.
In Schnaitsee höchste Windgeschwindigkeiten
Die TÜV-Studie stellte Dr. Birgit Seeholzer, Geschäftsführerin der Chiemgau GmbH, vor. Das größte zusammenhängende Windgebiet mit entsprechend hohen Windgeschwindigkeiten und etwa drei bis vier möglichen Einzelanlagen gebe es in der Gemeinde Engelsberg. Mit die höchsten Windgeschwindigkeiten überhaupt habe der TÜV für Schnaitsee ermittelt. Die Energiefachfrau unterstrich, man habe mit einer größeren Zahl an Standorten in die Diskussion gehen wollen. Die Windpotenzialkarte könne kein standortspezifisches Gutachten ersetzen. Dr. Seeholzer berichtete, gegenüber 2015 hätten sich die Kosten für Windanlagen verdoppelt – mit steigender Tendenz. Aktuell sei von etwa neun Millionen Euro pro Windrad auszugehen. Nach den Windmessungen über ein Jahr hinweg sei mit einer zweijährigen Verfahrensdauer und einer Bauzeit von einem Jahr zu rechnen.
»Wir wissen jetzt, was prinzipiell möglich sein könnte«, konstatierte Landrat Walch. Die Chiemgau GmbH habe bereits Kontakt zu den betreffenden Kommunen aufgenommen. Bürger sollten sich an den Projekten finanziell beteiligen können. Das erhöhe gleichzeitig die Akzeptanz in der Bevölkerung. Nächster Schritt seien die Detailmessungen bei Kosten von 100.000 Euro pro Messung und Standort.
In der Aussprache erinnerte Johann Schild (SPDplus), der Landkreis sei früher »Modellregion« gewesen und stehe jetzt unter Druck. Wichtig sei, die Bürger zu überzeugen, nicht zuletzt, um die erforderlichen Flächen zu bekommen. Beteiligungen der Kommunen und der Bevölkerung dienten dazu, die Wertschöpfung in der Region zu belassen. Dr. Lothar Seissiger (FW/UW) fragte nach Standorten im südlichen Landkreis. Im Süden seien keine Vorrangflächen benannt worden, etwa wegen zu niedriger Windgeschwindigkeiten, sagte Dr. Seeholzer dazu. Der TÜV empfehle, mit dem Norden anzufangen.

Den Grünen-Antrag vom Dezember 2021, die Windkraft zu forcieren, rief Grünen-Kreisrätin Walburga Mörtl-Körner ins Gedächtnis. Vor zehn Jahren schon habe ihre Fraktion kommunale Windanlagen besichtigt: »Alle haben sehr viel Gewinn damit gemacht.« Zur Bemerkung der Grünen-Kreisrätin, die Kosten seien im Moment »abschreckend«, antwortete der Landrat: »Die Kosten sind nicht abschreckend, sondern Realität.« Der Ausdruck von Mörtl-Körner über »böse Investoren« zog mehrere Wortmeldungen nach sich. Christoph Bauhofer (Bündnis 90/Die Grünen) meinte: »Investoren sind nichts Negatives. Es können beispielsweise regionale Unternehmen sein. Es ist nicht Aufgabe der Kommunen, Windräder zu bauen. Sie müssen aber die Rahmenbedingungen schaffen. Super wäre natürlich, wenn die Chiemgau GmbH bauen würde.« Mehrere Redner wie Karl Schleid (CSU) traten dafür ein, Investoren aus der Region zu gewinnen: »Ohne Investoren funktioniert nichts im Landkreis – außer wir verzichten auf Eisstadien oder Schwimmbäder.«
Der Kreisausschuss nahm den Tagesordnungspunkt letztlich zur Kenntnis und genehmigte einstimmig, einen Energiemanager einzustellen.
kd