Ludwig Thoma (1867-1921) war von 1890 bis 1893 als Rechtspraktikant in Traunstein gewesen. In Erinnerung an ihn tragen heute eine Grundschule und eine Straße in der Stadt seinen Namen. In den vergangenen Jahren geriet der Dichter posthum in die Kritik – ob seiner antisemitischen Hetzartikel, die er in seinen letzten Lebensjahren verfasst hatte. Wie in anderen Städten mit Schulen und Straßen, die nach dem bayerischen Dichter und Schriftsteller benannt sind, läuft nun auch in Traunstein die Diskussion, ob die Namensgebung so bleiben kann.
Oberbürgermeister Dr. Christian Hümmer hatte vor gut einem Jahr angekündigt, ein Forum einzuberufen. Der Rathauschef betonte damals, dass die Diskussion über die Umbenennung der Ludwig-Thoma-Grundschule und -Straße in Traunstein »keinesfalls still und heimlich in irgendwelchen Hinterzimmern geführt« werde. »Die Entscheidung und vor allem der Prozess, der zu dieser Entscheidung führt, werden öffentlich sein.«
Die Stadt hat dann laut Giesbrecht 2022 eine »Expertenrunde« gebildet, die dann unter Ausschluss der Öffentlichkeit getagt hat, um die Meinungsbildung in der Verwaltung und im Stadtrat »auf eine fachlich fundierte Basis zu stellen«. Und die Pressereferentin betont: »Wir werden natürlich noch öffentlich einladen« – dann, wenn auch die Schule ihre Meinungsbildung abgeschlossen habe.
Um eine Beteiligung der Öffentlichkeit sinnvoll gestalten zu können, seien, wie die Pressereferentin erläutert, »entsprechende Vorarbeiten notwendig«. Es handle sich um zwei Themenkomplexe: zum einen um die Benennung der Straße und zum anderen um die Benennung der Grundschule. »Für die Namensgebung der Schule ist die Stadt nur eingeschränkt zuständig. Hier sind zunächst die Beratungen und die Stellungnahme der Ludwig-Thoma-Grundschule abzuwarten.«
Der Rathauschef hat sich bereits mit Experten und den Fraktionen vorberaten: »Für mich ist klar, dass eine Umbenennung der Ludwig-Thoma-Straße nicht in Betracht kommt. Der richtige Weg ist eine so genannte Kontextualisierung, die auch die problematischen Gesichtspunkte der Person Ludwig Thoma benennt. Eine Umbenennung ist falsch, weil sie sowohl die Erinnerung an die sehr guten als auch an die sehr schlechten Seiten Thomas tilgt. Geschichte darf aber nicht getilgt werden, sie muss richtig eingeordnet werden. Ludwig Thoma bleibt einer der größten – wenn nicht der größte – bayerische Dichter – mit einer sehr dunklen Seite. Ich halte nichts von der 'Cancel-Kultur',« so der Oberbürgermeister.
»Leider muss man feststellen: Der Oberbürgermeister hat sein vollmundiges Versprechen vom Dezember 2021, die Öffentlichkeit mit einzubeziehen, nur sehr bedingt eingehalten«, kritisiert Hans-Christoph May. »Die Öffentlichkeit sei, so meine ich, mehr als nur ein handverlesener Kreis von Bürgern, auch wenn diese einen Querschnitt der Bürgerschaft darstellen.« May führt aus, als »interessierter Bürger« vermisse er die »unmittelbare Einbeziehung der Öffentlichkeit, wie sie in anderen Städten durchaus erfolge – etwa durch eine öffentliche Informationsveranstaltung, die man auch im Livestream mitverfolgen könne. München habe im September 2021 ein Beispiel gegeben. In Lohr am Main seien die Anwohner der Ludwig-Thoma-Straße einzeln und brieflich vom Bürgermeister angeschrieben und zu einer Informationsveranstaltung eingeladen worden. Man hätte durchaus auch die Runde in Traunstein – wie die Stadtratssitzungen – im Livestream übertragen können, so May. Dieses Vorgehen hätte »Bürgernähe« erzeugt.
pü