Mit dieser poetischen Betrachtungsweise machte der ehemalige Stadtpfarrer Georg Lindl bei der Segnung der Benedikt-Orgel in der Stadtpfarrkirche St. Oswald eines deutlich: Orgelmusik ist mehr als bloßes Beiwerk. Die Klänge der Orgel sind wichtiger Bestandteil des Gottesdienstes. Und Kirchenmusiker Manfred Müller zeigte wunderbar in dieser Segnungsfeier, wie sehr das Orgelspiel die Herzen öffnen kann.
Mit einer festlichen Vesper wurde am Freitagabend die Benedikt-Orgel gesegnet und ihrer Bestimmung übergeben. Dazu hatten der Förderverein der Orgelfreunde St. Oswald sowie Pfarradministrator Konrad Roider keine Mühen gescheut und so spendete Erzbischof Georg Gänswein der neuen Orgel den Segen; dafür war Gänswein eigens in Vertretung für Papst em. Benedikt XVI. von Rom nach Traunstein gereist. Auch Georg Lindl, der seit September in Gauting ist, war an seine alte Wirkungsstätte gekommen – fiel seine Amtszeit doch mit den Hauptbemühungen aller Verantwortlichen zusammen, für St. Oswald eine neue Orgel zu erwirken.
Zu Beginn der Vesper erklang zunächst noch in der Apsis die »alte« Chororgel unter dem fachkundigen Spiel von Kirchenmusiker Manfred Müller. Als mit Christian Heinrich Rincks »Flöten-Concert für die Orgel« – nach dem kirchlichen Segen von Erzbischof Gänswein – zum ersten Mal die neue Orgel erklang, vermochte man ein stilles Raunen der Freude in der Kirche wahrzunehmen. Wie Fritz Stahl, der Vorsitzende des Fördervereins, später sagen sollte: »Die Orgel spricht alle Sinne an«. Dabei war die Orgel – »die Königin der Instrumente« wie Mozart sie beschrieb – ursprünglich ein heidnisches Instrument, ein Bestandteil des römischen Kaiserkults, sie wurde vermutlich auch bei Gladiatorenkämpfen und Christenverfolgungen eingesetzt, erläuterte Lindl in seiner Predigt. »Man erkennt daher sehr wohl, warum die katholische Kirche anfangs ihre Probleme mit diesem Instrument hatte.«
Erst seit die Polyphonie im späten Mittelalter Einzug in die Kirchenmusik hielt, sei die Orgel nicht mehr wegzudenken. Das Zweite Vatikanische Konzil festigte schließlich ihre Rolle. »Musik im Gottesdienst ist nicht Unterhaltung oder Konzert, sie hat die Aufgabe, das Herz der Gläubigen zu packen und ihnen einen Weg zu Gott zu zeigen«, beschrieb es Lindl. »Dort, wo ich mein Herz habe, liebe ich etwas, und was ich liebe, hat Einfluss auf mich, und so lasse ich zu, das Gott mich verändert.« Dieser Aufgabe wurde Manfred Müller mit seinem Spiel und der Auswahl der Stücke gerecht: mal beschwingt, mal traurig, mal heiter, mal tosend, mal lieblich, und immer wieder majestätisch. Ein besonderer Genuss, der die Herzen öffnete, war dabei Sigfrid Karg-Elerts »Valse mignonne«.
Ein Festtag für die Traunsteiner Bürger war dieser Abend für Oberbürgermeister Dr. Christian Hümmer. Die Benedikt-Orgel sei eine Bürgerorgel, das zeige sich vor allem daran, wie viel Engagement die Traunsteiner an den Tag gelegt hätten, die Finanzierung »ihrer« Orgel zu stemmen. »Ist es nicht ein beglückendes Ereignis«, fragt Fritz Stahl die Festgäste. Den Vorsitzenden des Orgelvereins erfülle es bis heute mit großer Dankbarkeit, dass mit Hilfe der vielen Unterstützer die Finanzierung für die Orgel letztlich gestemmt werden konnte »Wie locker hört sich das heute an, doch nichts kam von selbst«, blickte Stahl zurück. Grüße aus Rom von Papst em. Benedikt XVI. überbracht Erzbischof Gänswein und »plauderte aus dem Nähkästchen«. Die Bitte um ein Grußwort des Papstes sowie die Einladung an Gänswein, die Orgel zu segnen, erreichten fast zeitgleich den Vatikan. »Der Heilige Vater hat mich ermutigt: 'Da müssen Sie hin, Traunstein ist Traunstein, und mir ersparen Sie es, zwei Grußworte zu schreiben, sprechen Sie für mich in meinem Sinne'«. Benedikt freue sich sehr, dass die Orgel seinen Namen trägt, betonte Gänswein. Denn ihr gelinge es, alle Töne des menschlichen Empfindens hervorzubringen und Gott zu verherrlichen.
Etwas überrascht waren einige Kirchenbesucher sicherlich, als sie beim Psalm 147 zu Beginn der Vesper einen ersten kleinen Eindruck von der neuen Orgel bekamen. Bei den Worten »Er gibt dem Vieh seine Nahrung, den jungen Raben, wonach sie schreien« war ein Gekrächze von der Orgelempore zu hören. Orgelbauer Johannes Klais hatte der neuen Orgel eine ganz spezielle Pfeife, die »Corvus osvaldi« (Rabe des Oswald), gewidmet, in Anlehnung an den Raben, das Attribut des heiligen Oswalds, wie Manfred Müller vorab verriet. vew