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Baby geschüttelt und geschlagen – Prozess am Landgericht Traunstein

Traunstein – »Gewaltexzesse« einer 26-Jährigen gegen ihre erst sieben Monate alte Tochter stehen laut Anklage im Mittelpunkt eines Prozesses der Zweiten Strafkammer am Landgericht Traunstein. Die Frau ist angeklagt wegen »schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen«. Der 37-jährige leibliche Vater soll nichts unternommen haben, um dem schwer verletzten Säugling zu helfen. Er muss sich wegen »schwerer Misshandlung durch Unterlassen« verantworten. Das Urteil soll am morgigen Donnerstag ergehen.


Die 26-Jährige, auch Mutter eines Sohnes und derzeit erneut hochschwanger, wuchs in schwierigen Familienverhältnissen auf. Etwa ein Jahr nach der Trennung von dem Vater des Buben lernte sie den 37-Jährigen kennen. Die Beziehung war von Streitigkeiten geprägt. Das Paar hatte finanzielle Probleme: »Die ganze Situation war nicht prickelnd«, meinte die Frau am Dienstag. Inzwischen sei sie von dem Angeklagten geschieden und wieder verheiratet. Die Tochter mit dem 37-Jährigen war laut der Frau eigentlich ein »ruhiges Kind«, das früh durchschlief. Ihr Mann habe sich in seiner Freizeit um das Baby gekümmert. Sie selbst habe sich häufig »überfordert« gefühlt, nicht zuletzt durch die Hausarbeit und viele Tiere.

Die Anklage von Staatsanwalt Markus Andrä gilt Misshandlungen ihres zweiten Kinds an Tagen vor dem 24. Juni 2020 in der gemeinsamen Wohnung in der Nähe von Haag. Weil das Kind weinte und nicht schlief, soll die 26-Jährige es mindestens zehnmal auf Kopf und Körper geschlagen, grob angepackt und gekratzt haben. Ärzte stellten zahlreiche Blutergüsse im Bereich des Kopfs, am Rumpf, an Armen und Beinen sowie Hautdefekte fest. Durch die mehrfache körperliche Gewalt der Kindsmutter soll der Säugling wiederholt länger andauernde Schmerzen erlitten haben.

Spätestens am 24. Juni 2020 soll der Kindsvater die deutlich sichtbaren Verletzungsfolgen am Baby bemerkt haben. Obwohl es laut Staatsanwalt seine Pflicht gewesen wäre, die Tochter vor weiteren Gefahren zu schützen, blieb der Angeklagte untätig. Dennoch habe er an jenem Abend gegen 18.30 Uhr das Haus für mehrere Stunden aus beruflichen Gründen verlassen.

Nachdem der Angeklagte damals weg war, verweigerte das Kind die Flasche und schrie. Da soll die 26-Jährige das Baby genommen, heftig geschüttelt und den Kopf an etwas Hartes geschlagen haben – mit der Folge eines komplexen Schädelbruchs mit Einblutungen im Gehirn. Die Kleine wurde bewusstlos. Da registrierte die Mutter, dass das Kind Hilfe benötigte, und verständigte einen Notarzt. Das Baby lag sechs Tage auf der Intensiv- und noch zwei Wochen auf der Normalstation einer Kinderklinik.

Die 26-Jährige wies am Dienstag alle Schuld zurück. Jener Tag sei »wie jeder andere« gewesen. Der Notarzt sei gekommen, das Kind per Hubschrauber abgeholt worden. Ihren Mann habe sie nicht erreichen können. Eine Stunde später sei die Polizei vor der Tür gestanden. Warum, wollte der Vorsitzende Richter Volker Ziegler wissen. Krankenhausärzten seien die Verletzungen aufgefallen, erwiderte die Angeklagte. »Sie haben Verletzungen noch gar nicht erwähnt«, warf Ziegler ein. Die 26-Jährige dazu: »Ich hatte blaue Flecke gesehen. Leider habe ich mein Kind nicht geschützt. Von mir stammten die blauen Flecke nicht. Ich wusste nicht, was ich tun sollte.« Das Baby habe sich beim Drehen im Bett schon mal gestoßen. Angesichts der blauen Flecken habe sie gedacht: »Es muss Gewalt sein – von meinem Mann. Leider habe ich ihn nicht darauf angesprochen.« Auch gegen sie sei er gewalttätig geworden, behauptete die 26-Jährige. Trennen habe sie sich nicht können. Sie habe nicht gewusst, wohin sie hätte gehen können. Und: »Er hat gedroht, mich umzubringen, wenn ich ihn verlasse.«

Ihr Ex-Mann, ebenfalls mit schwerer Kindheit und Jugend, stellte den Sachverhalt gegenteilig dar: »Ich habe das Kind nicht geschlagen. Ich war es nicht.« Bei den blauen Flecken habe er gedacht, das Baby habe Arme und Beine zwischen die Bettgitter gesteckt. Gekratzt habe es sich oft, sagte der 37-Jährige.

Kind lebt jetzt in einer Pflegefamilie

Drei Sachverständige und acht Zeugen stehen auf dem Programm. Unter den ersten war ein Polizeibeamter, der große Unordnung in der Wohnung und penetranten Tiergestank schilderte. Die Gutachterin Dr. Bianca Landgraf von einer Kinderklinik in München sprach über die Verletzungen des Opfers. Einige seien »typisch für Schütteln«. Nicht in der Anklage stehe ein Bruch des Unterkieferköpfchens. In den ersten Tagen nach der Einlieferung sei das Mädchen ausgetrocknet, extrem apathisch, insgesamt in der Entwicklung zurück gewesen. Es braucht laut der Gutachterin im Alltag Hilfe und lebt mittlerweile in einer Pflegefamilie.

kd

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