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Auch, wenn sie selbst nicht die Möglichkeit sehen, ihr eigenes Kind selbst aufzuziehen, entscheiden sich jährlich ein bis zwei Mütter im Landkreis Traunstein dafür, ihr Kind nach der Geburt zur Adoption freizugeben. Sie entscheiden sich damit bewusst für das Leben und haben daher allen Respekt verdient, meint Susanne Schwabl von der Adoptionsvermittungsstelle am Landratsamt. (Symbolbild: Gerd Altmann/Pixabay)

Adoption - eine Entscheidung für das Leben

Traunstein – Manchmal ist das Schicksal wirklich ungerecht. Die einen wünschen sich nichts sehnlicher, als endlich ein Baby in die Arme schließen zu dürfen, die anderen kommen beinahe um vor Angst, weil sie schwanger sind und nicht mehr ein, noch aus wissen. Jährlich entscheiden sich eine bis zwei werdende Mütter im Landkreis Traunstein daher zur Freigabe ihres Kindes zur Adoption – und damit für das Leben ihres Kindes.


»Es gibt nicht den einen Grund, dafür«, sagt dazu Susanne Schwabl von der Adoptionsvermittlungsstelle am Landratsamt Traunstein. Oft seien es sehr junge Mamas, die nicht den nötigen familiären Hintergrund hätten, »meistens, weil sie nicht den richtigen Partner haben; aber auch mal ältere Mütter mit schon erwachsenen Kindern.«

Ende eines sehr emotionalen Prozesses

Fast immer stehe die Entscheidung am Ende eines sehr emotionalen Prozesses. Zuvor versuche die Schwangerenberatung, Hilfemöglichkeiten aufzuzeigen. »Meistens kommen sie dann schon mit einem klaren Weg vor Augen zu uns«, sagt Schwabl. »Sie entscheiden sich ganz bewusst für das Leben des Kindes, auch wenn sie sich selbst nicht zutrauen, es aufzuziehen.« Das verdiene jeden Respekt, denn Abtreibung wäre meist der einfachere Weg. Abgebende Mütter, so der Fachjargon, nähmen »ganz schön was auf sich«, gibt Schwabl zu bedenken.

Sie tragen das Kind aus, gebären es unter Schmerzen und geben es dann in fremde Hände, denen sie blind vertrauen müssen. Sie müssen sich in der Klinik erklären, der Familie, den Nachbarn, Freunden, auch Chefs und Kollegen gegenüber. »Und das alles dafür, dass sie ihrem Kind das Leben ermöglichen wollen, auch wenn es in ihrem eigenen Leben keinen Platz findet. Das hat viel mit Verantwortung zu tun.«

Auf jedes Kind kommen im Schnitt zehn bis zwölf Bewerber – meist Paare mit unerfülltem Kinderwunsch Eine fixe Altersbegrenzung gebe es nicht, »aber das Eltern-Kind-Verhältnis sollte schon stimmen.« Älter als 40, 45 Jahre sollte man nicht sein, umgekehrt muss ein Partner mindestens 25 Jahre alt sein, der andere 21. Tatsächlich seien die meisten Bewerber aber über 30 Jahre alt.

Abgefragt würden etwa wirtschaftliche und Wohnverhältnisse – muss schon ohne Kind ein sozialer Träger den Unterhalt bestreiten, spräche das dagegen –, lebensverkürzende Krankheiten, Suchtproblematiken, aber natürlich auch sehr persönliche Dinge wie Belastbarkeit, Bindungsfähigkeit, Offenheit, Stabilität der Partnerschaft oder die Motivation. Ist der unerfüllte Kinderwunsch verarbeitet? Passt die Lebensplanung, welche Erziehungsstile sind zu erwarten?

Der Gesetzgeber verlange übrigens, alle Bewerber zu akzeptieren. Viel wichtiger als die sexuelle Orientierung sei daher das gesamte familiäre und soziale Umfeld, das bei Fragen, etwa in der Pubertät, wenn es um die eigne Identitätsfindung geht, mit Rat und Tat zur Seite stehen kann. War es früher verpönt, dass adoptierte Kinder und Eltern Kontakt haben, könnten bei den heute üblichen halb offenen Adoptionen beide Seiten Briefe über die Adoptionsvermittlungsstelle an einander schicken. »Der Gesetzgeber will sogar, dass wir den Kontakt fördern«, sagt Schwabl. Will die Mutter allerdings keinerlei Kontakt, hat sie das Recht dazu.

Umgekehrt hat aber jedes Kind das Recht, zu erfahren, dass es adoptiert ist. »Da gibt es ganz kindgerechte Bücher dazu.« Denn die eigene Herkunft könne wichtig werden zur Identitätsfindung in der Pubertät. Ab 16 Jahren habe das Kind Akteneinsichtsrecht, auch ohne Wissen der Adoptiveltern – »je nachdem, was die Mutter in den Akten hinterlegt hat. Sie hat dieses Recht umgekehrt nicht, wir würden im Zweifel aber bei den Adoptiveltern nachfragen, ob wir Daten weitergeben dürfen«.

Den Löwenanteil der Arbeit machten aber Stiefkindadoptionen aus, etwa in Patchworkfamilien. Da gebe es etwa zehn bis 15 Anträge jährlich. Gebe es für Adoptionen von Babys in der Regel genug Bewerber, könnte das Jugendamt noch etliche Pflegeeltern brauchen. »Da ist aber von vorneherein das Ziel, die Kinder wieder zu ihren Eltern zu geben, sobald das möglich ist.« Darum werde die Aufnahme von Pflegekindern als Dienstleistung auch bezahlt.

Allerdings sei das oft deutlich schwieriger für alle Beteiligten. »Der Mensch ist keine Maschine, Bindungsabbrüche sind immer problematisch«, sagt Schwabl. Gerade bei Rückführungen gebe es immer wieder Überraschungen. »Entscheidend ist, was ist für das Kind gut, was nicht?«

Nach 34 Jahren kennengelernt

»Mein Job ist echt schön«, sagt Schwabl, gefragt nach einem besonders schönen Erlebnis. Sehr bewegend sei das Treffen zweier Geschwister gewesen. Das ältere sei vor 34 Jahren adoptiert worden und habe dann von einem zwei Jahre jüngeren Geschwister erfahren, das bei der Mutter aufwuchs. Aus einem anfänglichen Briefkontakt über die Adoptionsvermittlungsstelle sei ein inniger persönlicher Kontakt entstanden. »Die waren dann auch mal hier und lagen sich weinend in den Armen. Hoffentlich haben sie noch viel Zeit miteinander.«

coho

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