Justitia
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Eine Figur der blinden Justitia. Foto: dpanitf3

60-Jähriger zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt

Eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängte das Schwurgericht Traunstein am Donnerstag gegen einen 60-jährigen Kosovaren, der Mitte Juli 2022 einen 32-Jährigen in einer Spielhalle in Burghausen-Lindach durch einen Schuss ins Herz getötet hatte (wir berichteten). Das Gericht mit Vorsitzendem Richter Volker Ziegler gelangte zu »Mord aus Heimtücke und niederen Beweggründen«, bezüglich eines glücklicherweise unversehrt gebliebenen, zweiten Manns (30) zu einem versuchten Mord. Damit folgte die Kammer dem Antrag von Staatsanwalt Markus Andrä voll. Auch die »besondere Schwere der Schuld« wurde angeordnet.


Der Angeklagte lebte seit 2019 mit seiner halb so alten Partnerin zusammen. Die 29-Jährige arbeitete in der Spielothek, hatte dort die beiden jungen Männer kennengelernt und unternahm ab Sommer 2022 mit ihnen einiges in ihrer Freizeit. Das passte dem 60-Jährigen nicht, wie der Staatsanwalt im Plädoyer feststellte. Etwa zeitgleich flirtete der Angeklagte mit einer Dame in Rostock. Dazu Markus Andrä: »Er hat es auch nicht mit Treue und Ehrlichkeit gehalten.«

Am Abend des 14. Juli 2022 entdeckte der Kosovare, dass die beiden Männer im Auto seiner Freundin durch Burghausen kutschierten. »Er entschloss sich, das Verhalten seiner Lebensgefährtin zu sanktionieren, holte seine Pistole aus der Wohnung, steckte sie in die Bauchtasche unter dem T-Shirt und fuhr zu der Spielothek. »Dort kam es zu dem tragischen Aufeinandertreffen«, schilderte der Ankläger das Tatgeschehen, von dem es eine Videoaufzeichnung gibt. Der 60-Jährige stellte die Frau wegen ihres Autos zur Rede. Um diese Zeit trafen die zwei Männer ein, die der 29-Jährigen ihre im Auto vergessenen Zigaretten bringen wollten. Der Angeklagte versetzte dem 32-Jährigen einen Faustschlag und wurde zurückgeschubst. Genau 13 Sekunden nach seinem Schlag zog der Täter die geladene Waffe heraus und schoss unvermittelt. Der 32-Jährige riss die Hände hoch. Das Projektil durchschlug eine Hand, zerstörte den Herzbeutel und wichtige Blutgefäße, wie Rechtsmediziner Professor Dr. Oliver Peschel sagte. Der Getroffene verblutete damals noch an Ort und Stelle.

»Das Opfer hatte keine Chance, sich zu wehren oder zu entrinnen«, betonte der Staatsanwalt im Schlussantrag. Der 60-Jährige habe anschließend einen gezielten Schuss in Richtung des 30-Jährigen abgefeuert: »Es war nur dem Zufall geschuldet, dass kein zweites Todesopfer zu beklagen war«, konstatierte der Ankläger. Der Mann sei um sein Leben gelaufen. Glücklicherweise habe die Pistole eine Ladehemmung gehabt. Dadurch habe der 30-Jährige flüchten können – unerreichbar für den Kosovaren. Ehe er mit seinem eigenen Pkw floh, zerschoss er die Reifen des Autos seiner Freundin.

»Auch er wäre tot...«

Zum Motiv konstatierte Andrä: »Es hat dem Angeklagten missfallen, dass seine Freundin ihr Auto verlieh.« Angebliche Bedrohungen durch eine »Russenmafia« habe es nie gegeben. Der psychiatrische Sachverständige Dr. Johannes Wittmann habe dem 60-Jährigen volle Schuldfähigkeit attestiert. Für eine Tat im »Affekt« mangele es an Anhaltspunkten. Alkohol und Drogen hätten keine Rolle gespielt. Der Angeklagte habe »eiskalt« gehandelt. Zu dem zweiten Mordmotiv »niedere Beweggründe« führte der Staatsanwalt aus: »Wut und Eifersucht sind natürliche menschliche Reaktionen. Aber der Angeklagte war selbst kein Kind von Traurigkeit. Und das Auto der Freundin ging ihn gar nichts an. Er hat die unbedarften, unbescholtenen Männer stellvertretend angegriffen für das Fehlverhalten seiner Lebensgefährtin.« Auch der Mordversuch auf den 30-Jährigen sei heimtückisch gewesen: »Auch er wäre tot, wenn die Waffe nicht versagt hätte.« Die »besondere Schwere der Schuld« begründete Markus Andrä mit dem Angriff auf zwei Menschen, jeweils zwei Mordmerkmalen und zusätzlich einem Waffendelikt.

Die Nebenklagevertreter, Inge Batzelt und Hanns Barbarino aus Neuötting, schlossen sich an. Der Täter habe die Angeklagten nicht gekannt. Der 32-Jährige habe sein junges Leben verloren, Eltern ihren Sohn. Die ganze Familie leide unter dem Geschehenen.

»Ich schämemich zutiefst«

Dem Antrag des Staatsanwalts sei angesichts des Videos »wenig entgegenzusetzen«, meinte Verteidiger Erhard Frank aus Burghausen. Hinsichtlich des 30-Jährigen allerdings habe sein Mandant »rumgeballert«. Töten habe er ihn nicht wollen. Aus seiner Sicht, so der Anwalt, könne der Strafrahmen wegen möglicherweise doch beeinträchtigter Schuldfähigkeit gemildert, eine zeitlich begrenzte Haftstrafe ausgesprochen und auf die »Schwere der Schuld« verzichtet werden. Im »letzten Wort« bedauerte der bislang nicht vorbestrafte Angeklagte die Tat: »Ich verstehe selbst nicht, wie ich dazu fähig sein konnte. Ich möchte mich entschuldigen, auch wenn die Tat nicht entschuldbar ist. Ich schäme mich dafür und bereue zutiefst.«

Im Urteil hob der Vorsitzende Richter heraus, dass weder die beiden Männer noch die 29-Jährige irgendeinen Anlass zu der Tat geliefert hätten. Die Frau habe sich »völlig normal verhalten«, habe ein Recht auf ein eigenes Leben, sei »weder Eigentum noch Untertan«, habe auch andere Kontakte gepflegt.

Bei dem Schuss auf den 32-Jährigen habe der Angeklagte als geübter Schütze die Waffe in einer Handbewegung gezogen. Volker Ziegler weiter: »Er hat den Männern in dem Auto schon vorher nachgestellt. Was er schon vorher beabsichtigt hatte, hat er umgesetzt. Bei dem zweiten Schuss hat er kaltblütig repetiert und durchgeladen. Der Angeklagte wollte beide Männer töten. Bei einem ist es ihm gelungen, beim zweiten Gott sei Dank nicht.« Bei Mord gebe es nur eine Strafe – lebenslang. Der Angeklagte habe »schweres Unrecht« verwirklicht, so der Vorsitzende Richter.

kd

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