Der Schaden am Gebäude lag bei rund 300.000 Euro. Vor dem Schwurgericht Traunstein mit Vorsitzendem Richter Volker Ziegler begann nun der Prozess gegen die 61-Jährige wegen achtfachem versuchten Mords, versuchter Brandstiftung mit Todesfolge und schwerer Brandstiftung. Das Verfahren wird am 20. März um 9 Uhr fortgesetzt.
Die Angeklagte lebte in dem zum Mehrfamilienhaus ausgebauten Bauernhof seit elf Jahren allein in ihrer Wohnung im ersten Obergeschoß links. In der gleichen Etage auf der rechten Seite sowie im Dachgeschoß und im Erdgeschoß schliefen die anderen acht Bewohner, darunter die Vermieterin und eine Familie mit drei minderjährigen Kindern. Gemäß Anklageschrift von Staatsanwalt Wolfgang Fiedler demontierte die 61-Jährige vor der Brandlegung bewusst die fünf Rauchmelder in ihrer eigenen Wohnung, um nicht vorzeitig Alarm auszulösen. Außerdem vergoss sie angeblich rund um einen Holzschrank im Flur des Treppenhauses ebenfalls eine brennbare Flüssigkeit. Mit einem Feuerzeug entzündete sie den Brand und fuhr danach ihrem Pkw weg.
Lautes Knallen weckte Bewohner
Folgt man dem Staatsanwalt, brannte es schnell in ihrer Wohnung und im Hausgang. Im gesamten Gebäude entwickelten sich starke Hitze und erheblicher Rauch. Die Flammen griffen über auf das Treppenhaus. Durch ein lautes Knallgeräusch in der Wohnung der Angeklagten sowie durch den Rauch und das Knistern des Feuers schreckten die Bewohner auf. Die Leute im Erdgeschoß konnten ins Freie flüchten. Die Menschen in den oberen Etagen wurden von Feuerwehrleuten mit Leitern von ihren Balkonen geholt und an Rettungskräfte übergeben. Mehrere Personen trugen psychische Folgen wie Angstzustände und Schlafstörungen davon.
Verteidiger Raphael Botor aus Rosenheim verlas im Auftrag der Angeklagten, die selbst nichts sagen will, eine Stellungnahme. Demnach leidet die 61-Jährige seit Jahren unter schweren Depressionen. Eine Mieterhöhung stand an, die Frau wusste nicht mehr weiter. Dazu der Rechtsanwalt: »Alles führte zu einer inneren Explosion. Sie fasste den Beschluss, ihr Leben zu beenden.« Sie habe gedacht: »Es sollte nichts mehr von mir übrig bleiben – als ob es mich nie gegeben hätte«. Deshalb, so Botor, habe die 61-Jährige beschlossen, ihre Wohnung in Brand zu setzen. Sie habe aber »nie gewollt, dass jemand zu Schaden kommt«. Auf Antrag des Verteidigers schloss das Schwurgericht bei der Krankheitsgeschichte der Angeklagten die Öffentlichkeit aus.
Unter den ersten Helfern am Brandort war eine Polizeibeamtin, die bereits sechs Minuten nach dem Alarm um 1.48 Uhr mit ihrem Kollegen eintraf. Von einem Feuer sei von außen nicht viel zu sehen gewesen, wohl aber der Rauch überall, schilderte die Zeugin.
Die Feuerwehr habe sie zunächst nicht in das Gebäude gehen lassen. Sie und ihr Kollege hätten sich um die Hausbewohner gekümmert. Neun Personen seien in der Immobilie gemeldet gewesen. Von der Vermieterin habe man erfahren, dass das Auto der Angeklagten nicht am üblichen Platz stand. Dazu die Zeugin: »Da mussten wir uns weniger Sorgen machen, dass noch jemand in dieser Wohnung ist«. Der Türstock der Nachbarwohnung sei verkohlt gewesen. Zur Bebauung in der Umgebung berichtete die Polizistin, rundherum gebe es etwa zehn relativ nahgelegene Häuser. Um die erste Befragung der Bewohner kümmerte sich ein Kollege vom Kriminaldauerdienst der Kripo Rosenheim. Er erfuhr von der Vermutung, ein Blitz habe in der Nähe des Anwesens eingeschlagen.
Auto der Angeklagten ausgebrannt gefunden
Die 61-Jährige könnte in jener Nacht nach Raubling gefahren sein. Gegen 9.30 Uhr brannte es laut Polizei in einem Einfamilienhaus in Reischenhart im Bereich der Haustüre. Noch am gleichen Tag wurde bei Lenggries an der Bundesstraße 13 Richtung Silvensteinspeicher der ausgebrannte Pkw der Angeklagten entdeckt. Sie selbst wurde auf einem Trampelpfad in den Isar-Wäldern bei Hohenwiesen aufgefunden.
Der Vater der Hauseigentümerin beschrieb die Angeklagte als ruhig. Sie habe zurückgezogen gelebt, viel gebastelt. Er selbst habe einen enormen psychischen Schaden davongetragen: »Es ist mein Elternhaus. Das Ganze kommt immer wieder hoch.« Eine 64-jährige Zeugin mit Wohnung im Dachgeschoß erinnerte sich: »Bei mir war sehr viel Rauch. Mit nackten Füßen hat mich die Feuerwehr auf der Leiter nach unten und zum Sanka gebracht.« Sie habe ganz neue Möbel gehabt. Das Schlimmste sei: »Ich war erst seit kurzem in Rente und hatte zwischendurch ausgelagerte Sachen gerade erst eingeräumt«.
Ob eine Versicherung für ihren Schaden aufkomme, sei noch nicht klar. Vom Vorsitzenden Richter Volker Ziegler nach ihren Rauchmeldern gefragt, meinte die Zeugin: »Ich denke, sie schlugen erst an, als ich in den Flur ging und der Rauch in meine Wohnung kam.« Die 64-Jährige, die selbst keine psychischen Probleme in Folge des Brands erlitt, beschrieb die Angeklagte als »verhuscht«: »Ich habe sie sehr selten gesehen. Ich habe gemerkt, dass sie keinen Kontakt wollte.«
kd