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Foto: Peter Steffen/dpa/Symbolbild

Passanten mit Waffe bedroht: 47-Jähriger muss in Psychiatrie

Ein Sondereinsatzkommando der Polizei stürmte am 18. Juli 2021 eine Wohnung in Traunreut. Stunden zuvor hatte der 47-jährige Mieter drei Passanten mit einer Schreckschusswaffe bedroht und etwas später eine Polizeistreife mit einem Schuss vertrieben. Die Siebte Strafkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzender Richterin Christina Braune ordnete am Donnerstag die Unterbringung des psychisch kranken Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus an, setzte sie jedoch unter Auflagen zur Bewährung aus. 


Der weitgehend geständige 47-Jährige berichtete von Problemen mit Nachbarn. Er sei häufig gepiesackt worden und habe kaum schlafen können. In jener Nacht habe er auf der Terrasse gesessen. Gegen Mitternacht habe er am Gartentor Leute gesehen, die mit einer Handy-Taschenlampe herumgeleuchtet hätten. Laut Anklage von Staatsanwalt David Heberlein handelte es sich um unbeteiligte Passanten, zwei junge Frauen und einen Mann. Als der Beschuldigte sie zur Rede stellte und aufforderte, sich auf den Boden zu legen, waren sie irritiert und kamen der Aufforderung erst nicht nach. Da zog der 47-Jährige eine schwarze Pistole hinter dem Rücken hervor und richtete sie gegen den Kopf des Mannes. Daraufhin legten sich alle Geschädigten zu Boden. Der Beschuldigte herrschte sie an, liegen zu bleiben und entfernte sich.

Die Zeugen verständigten die Polizei. Drei Beamte trafen gegen 0.45 Uhr an dem Haus ein. Als sie von der Straße auf die Terrasse schauen wollten, entdeckte sie der 47-Jährige. Er schrie mehrmals »Haut’s ab«. Dann gab er einen Schuss ab. Die Polizisten zogen sich zurück und holten Verstärkung. Gegen 4.38 Uhr drang das SEK in die Wohnung ein. Der Beschuldigte ließ sich widerstandslos festnehmen. In den Räumen stießen die Beamten auf fünf weitere Schreckschusswaffen, darunter ein manipulierter und dadurch scharf gemachter Revolver, mehrere Messer sowie Kleinkaliberpatronen.

Der 47-Jährige ließ seinen Verteidiger Michael Fraunhofer aus Trostberg erklären, er habe in der Situation mit den drei Personen falsch und überzogen reagiert. Es sei »keine gezielte Attacke« gewesen. Der Beschuldigte ergänzte, er habe extrem wenig geschlafen. An eine nächtliche Schussabgabe könne er sich nicht erinnern: »Ich glaube, es war hell.« Auf Fragen des Gerichts meinte er, Traunreut sei eine unsichere Stadt. Deshalb habe er die Waffen besessen. Er hätte auch gerne einen Waffenschein gehabt, was aber nicht geklappt habe. Manchmal habe er mit den Waffen geschossen, aber nur in der freien Natur und in die Luft.

Unter den Zeugen war ein 19-Jähriger. Man habe man den Geburtstag einer Oma gefeiert und die Enkelin nach einem Spaziergang durch die Stadt zur Großmutter zurückbegleitet, bei der die 18-Jährige übernachten wollte. Der Zeuge schilderte, der 47-Jährige habe »nicht betrunken, sondern irgendwie anders« gewirkt. Der Auszubildende bestätigte das angeklagte Geschehen, wonach die Waffe direkt auf ihn gerichtet war. Für eine echte Waffe habe er die schwarze Pistole nicht gehalten, habe es aber auch nicht darauf ankommen lassen wollen, sagte er. Wirklich schlecht habe er sich damals nicht gefühlt, auch nicht in der Folge. Doch empfinde er noch immer ein »unsicheres Gefühl«, wenn jemand hinter ihm stehe. Der 47-Jährige beteuerte: »Ich möchte mich aufrichtig bei Dir entschuldigen. Es tut mir leid.«

Eine 18-jährige Auszubildende schilderte das Erlebnis ähnlich. Die auf sie echt wirkende Waffe habe der Mann hinter dem Rücken hervorgeholt. Sie habe Todesangst gehabt, sagte sie unter Tränen und noch immer sichtlich beeinträchtigt. Angesichts des vom Verteidiger angekündigten Geständnisses hörte das Gericht nur noch einen Polizeibeamten zu dem Schuss im Garten an.

Der psychiatrische Sachverständige, Dr. Stefan Gerl, attestierte dem Beschuldigten eine schwere psychische Erkrankung. Zur Tatzeit habe der 47-Jährige seine Medikamente abgesetzt und sei schuldunfähig gewesen. Zwischenzeitlich akzeptiere er eine Depotmedikation unter ärztlicher Aufsicht und sei psychisch stabil. Die Voraussetzungen für eine Unterbringung in der Psychiatrie seien erfüllt.

Über die Notwendigkeit einer Unterbringung sowie die Bewährungsfrage herrschte in Plädoyers und Urteil Einigkeit. Vorsitzende Richterin Christina Braune verkündete im Urteil zahlreiche Bewährungsauflagen, unter ihnen ein Waffen- und Drogenverbot sowie die Verpflichtung, die erforderlichen Medikamente zu nehmen, die ambulante Therapie fortzusetzen und alle ärztlichen Anweisungen zu befolgen.

kd

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