Die Nanni ist geistig und körperlich unglaublich fit, lediglich die Augen machen ihr seit Jahren zu schaffen. Inzwischen ist sie beinahe blind, erledigt aber ihren Haushalt noch selbst, geht in Begleitung manchmal einkaufen und in die Kirche. Ihre drei Enkel, darunter der Schlechinger Gemeinderat Felix Laubhuber, und fünf Urenkel besuchen die Oma und Uroma zu ihrer größten Freude häufig, inzwischen sogar mit den zwei Ururenkeln – vier bzw. eineinhalb Jahre alt. Zweimal täglich kommt jemand von der Caritas und hilft ihr, das tägliche Leben zu bewältigen.
Anna Laubhuber wurde am 10. September 1922 als älteste von vier Geschwistern in Freiweidach geboren. Sieben Jahre – wie damals üblich – besuchte sie dort die Volksschule. Noch heute kann sie in deutscher und lateinischer Schrift schreiben. Auch alle Jahreszahlen zu sich und ihrer Familie erinnert sie bis heute genau. Nach der Schulzeit wurde die Nanni Magd beim Huber-Bauern in Piesenhausen und arbeitete im Sommer als Sennerin auf der Bischofsfellnalm in Ruhpolding. Mit 19 Jahren, damals also noch nicht volljährig, bekam sie unehelich Hildegard – ihre einzige Tochter, die auch heute noch auf dem ehemaligen kleinen Bauernanwesen, dem »Graz'n Sachei« – einem der ältesten Häuser von Schleching – lebt. Sie und ihr Mann Georg Schwaiger – ein Zimmermann – heirateten am 7. Februar 1952. Sie hatten sich über Nannis jüngere Schwester kennengelernt. »Ich hab glei' g'wusst, dass er der Richtige ist«, sagt Nanni. Neben seinem Beruf als Zimmermann betrieb Georg Schwaiger im Nebenerwerb die kleine Landwirtschaft, bei der seine Frau dann kräftig mitarbeitete. 1964 aber wurde Nanni sehr krank, ein Nierenversagen, das sie zwang, 18 Wochen im Prinz-Ludwigshaus, dem damaligen Krankenhaus in Traunstein, zu liegen. Aus dem Grund wurde 1964 dann »beim Graz'n« die Landwirtschaft aufgegeben, denn der bis heute in Schleching allseits bekannte Hausarzt Dr. Friedrich Nohl sagte zum Grazei: »Hau deine Kiah zum Deifi, sei froh, wenn dei Oide wieder g'sund wird.«
Zu der Zeit war Hildegard, die vom Graz'n adoptierte Tochter der Nanni, bereits mit dem Maurer Felix Laubhuber zusammen, der tatkräftig half, das ehemalige Stallgebäude zu Wohnungen auszubauen. Aber nicht nur beim Arbeiten verstanden sich der Graz'n und der Fex, wie der Schwiegersohn genannt wird, bestens – auch beim Wildern: »Ihr Mann, der 'Graz'n Irg', war ein weit über die Grenzen Bayerns hinaus bekannter Wilderer«, erinnert sich eine Nichte der Nanni.
Auf die Frage, ob sie das Wildern ihres Mannes sehr gestört hätte, sagt sie, »naa, des war halt in der schlechten Zeit nach dem Krieg, wo wir nix zu essen g'habt ham.« Aber unbestritten war das Wildern auch später eine große Leidenschaft von Schwiegervater und Schwiegersohn, denn beide wurden manchmal dafür kurzzeitig eingesperrt. Was ihrer Beliebtheit bei vielen Einheimischen aber keinesfalls zum Nachteil gereichte.
Was hat die Schwaiger Nanni getan, um bei so guter Gesundheit so alt zu werden? »Nix«, sagt sie spontan. Und der Fex ergänzt, »du hast halt immer viel Gamsfleisch g'essen«. Da lacht sie, »ja, das stimmt«. Außerdem beschäftigt sie sich, sagt sie, mit allen und allem um sich herum und ist froh über die guten Nachbarn, die ihr helfen, wann immer notwendig. Am heutigen Freitag feiert die »Graz'n Nanni« mit ihrer großen Familie Geburtstag beim Hofstetter.
gi