Nachdem das Schloss mit den beiden Nebengebäuden Josefsheim und Salesianum in die Jahre gekommen ist und nicht mehr den rechtlichen und zeitgemäßen Anforderungen einer pädagogischen Einrichtung entspricht, wurden neue Wege gesucht. Hier kam vor rund zwei Jahren der Projektentwickler und Architekt Christian Schwarz aus Pastetten ins Spiel. Er erarbeitete ein Konzept mit 48 Wohnungen, das er dem Gemeinderat im vergangenen September vorstellte.
Der Gemeinderat war grundsätzlich für die Nachnutzung mit Wohnungen offen und wollte genauere Entwürfe, die der Architekt in der jüngsten Gemeinderatssitzung im Rathaus in Marquartstein vorstellte und erläuterte. Bürgermeister Andreas Scheck (BfM) brachte wiederholt zum Ausdruck, dass die Gemeinde den Belangen der Träger von Niedernfels gegenüber aufgeschlossen sei und sich die Gemeinde eine Umnutzung der angesprochenen Gebäude durchaus vorstellen könne. Der Bürgermeister sagte: »Marquartstein ist daran interessiert, das Pädagogische Zentrum Niedernfels zu erhalten!«
Im Wesentlichen sollte das denkmalgeschützte Schloss mit Anbau innen so gestaltet werden, dass Wohnungen entstehen können, ohne dass außen etwas verändert wird; die beiden Nebengebäude Salesianum und Josefsheim sollen wegen der vorhandenen schlechten Substanz abgerissen und neu errichtet werden. Die erforderlichen Stellplätze würden in einer Tiefgarage untergebracht.
Die 48 angedachten Wohnungen würden durchschnittlich 60 bis 75 Quadratmeter Wohnfläche haben sowie mit verschiedenen Zimmerzahlen entstehen. Die Höhe der Miete sollte sich an der Vergleichsmiete in Marquartstein orientieren. In der Tiefgarage sollten nicht nur die 68 erforderlichen Stellplätze Platz finden, sondern auch noch 104 Stellplätze für Fahrräder. Im Hof der Wohnanlage sind noch weitere Stellplätze für Besucher und für Autos für das Carsharing geplant, führte Schwarz aus. Aus dem Verkaufserlös des Schlosses und der beiden Gebäude Salesianum und Josefsheim würde für das Pädagogische Zentrum Niedernfels die neuen schulischen Nebeneinrichtungen wie Schulküche oder Hort gebaut werden.
Aus ihrer Sicht gebe es bei dem Projekt einige Punkte, die nicht den Zielsetzungen von Marquartstein entsprechen würden, sagte die 2. Bürgermeisterin Claudia Kraus (Grüne/Offene Liste). Die Wohnanlage sei zu abgelegen. Um den Alltag und den allgemeinen Lebensbedarf bewerkstelligen zu können, sei ein Auto erforderlich. Dadurch würde die bereits jetzt überlastete Straße weiter belastet. Wenn dort Senioren wohnen, würden die dort eher einsam leben, wenn sie keine gute Familienhilfe hätten, sagte Kraus. Sie stellte auch in Frage, ob ein Abriss der beiden Nebengebäude nachhaltig ist und bei den Mieten, die in Marquartstein bezahlt und als Vergleichsmiete herangezogen werden, dort wirklich bezahlbarer Wohnraum entsteht.
Das Verkehrskonzept, welches Carsharing sowie Leihräder und Lastenräder vorsieht, gefalle ihm, sagte Christian Dögerl (CSU). Das Schloss stehe nun mal da oben und er sehe die Gefahr, dass es leer stehen werde, wenn keine Wohnnutzung möglich sei. Dögerl bezog sich dabei auf die Ausführungen von Schwarz, dass andere Nutzungen wie ein Hotelbetrieb oder auch Museum im Vorfeld geprüft und im Ergebnis als nicht realisierbar angesehen wurden.
Die Schlossstraße sei trotz der steigenden Anforderungen in den vergangenen Jahrzehnten nicht geändert worden, merkte Michael Elgass (Grüne/Offene Liste) an. Er meinte, dass die zusätzlich rund 68 Auto bei dem jetzigen Betrieb nicht auffallen würden. Für ihn bleibe als Nachnutzung das Wohnkonzept übrig, so Elgass. Hier schob Scheck ein, er könne sich bei der Lage nicht vorstellen, dass dort Einheimische einziehen würden. Zum Verkehrsthema führte Scheck aus, dass über eine Ergänzung des ÖPNV in diesen Ortsbereich nachgedacht wird.
Riedl: Viele wollen zurück in den Chiemgau
So ein großes Projekt bringe sicher alle intensiv zum Nachdenken, meinte Martin Riedl (CSU). »Doch ein Leerstand würde uns auch sehr beschäftigen«, fügte er hinzu. Zum Thema steigende Verkehrsbelastung meinte er, überall dort, wo Menschen lebten entstehe auch Verkehr. Der Ansicht von Scheck widersprach Riedl, dort würden keine Einheimischen hinziehen. Er, so Riedl, sei der Ansicht, dass viele Leute in seinem Alter wieder zurück in den Chiemgau wollten. Es zeige sich jedoch, dass diese oft keine Wohnung finden. Er sehe das Projekt positiv; ein Leerstand sei aus seiner Sicht nicht nachhaltig.
Klaus Hell (BfM) gefällt das Konzept im Grunde. Doch stellte er in Frage, ob bei den in Marquartstein schon geplanten Wohnprojekten noch zusätzlicher Wohnraum in dieser Form benötigt wird. Er merkte an, dass bei steigender Einwohner- und Kinderzahl von der Gemeinde auch die entsprechende Infrastruktur geschaffen werden muss. Mit dem Erhalt von Schloss Niedernfels durch eine Wohnnutzung habe man den richtigen Weg eingeschlagen, meinte Toni Entfellner (Grüne / Offene Liste). Doch ob in den beiden Nebengebäuden weitere Wohnungen benötigt würden, sei für ihn fraglich, so Entfellner.
Wie weit denn bei dem Projekt abgespeckt werden könne, dass es sich noch rechne, wollte Josef Moritz (CSU) vom Planer erfahren. Schwarz betonte nochmal, dass die beiden Gebäude Salesanium und Josefsheim wegen der schlechten Bausubstanz wie auch wegen der Brandschutz- und Fluchtwegvorgaben nicht erhalten werden könnten. Beim Abspecken des Projekts müsste auch der Kaufpreis herangezogen werden, fügte Schwarz an.
Grundsätzlich bestehe Be-darf an Wohnungen in Marquartstein, sagte Scheck. Ob dieser jedoch letztlich an dieser Stelle zufriedengestellt werden könne, sei für ihn abschließend nicht erkennbar, so der Bürgermeister. Das Projekt mit den 48 Wohnungen erscheine ihm eventuell zu groß. Eventuell könnten am Standort der beiden Nebengebäude Josefheim und Salesanium ja die Funktionsgebäude angedacht werden, sagte Scheck.
Der Bürgermeister meinte, wegen der Fairness zu Schwarz gegenüber müsste sich jedes Ratsmitglied Gedanken machen, ob es das Konzept mittrage oder nicht. Bei der Entscheidung für das vorgestellte Projekt in der momentanen Version gab es neun Gegenstimmen und die vier Ja-Stimmen kamen von Riedl, Dögerl, Elgass und Marie-Luise Bauer (CSU). Jedoch vereinbarten der Bürgermeister und der Architekt weitere Gespräche, um eine Nutzung in Form und Umfang zu suchen, welche eine Mehrheit im Gemeinderat findet.
MP