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Sie stellten sich der Diskussion (von links): DGB-Vorsitzender Bernhard Stiedl, Sepp Parzinger, Organisationssekretär, Günter Zellner, Regionsgeschäftsführer DGB Oberbayern, und Florian Moritz, Finanz- und Wirtschaftsexperte des DGB Bundesvorstands. (Foto: Eder)

Regionaler Gewerkschaftsabend in Grassau zum 75-jährigen Bestehen des Bayerischen Gewerkschaftsbunds

Grassau – Die Erfolge des Bayrischen Gewerkschaftsbunds wie auch die Herausforderungen in den nächsten Jahren wurden beim 12. Regionalen Gewerkschaftsabend im Heftersaal beleuchtet. Regionsgeschäftsführer des Deutschen Gewerkschaftsbunds Oberbayern (DGB), Günter Zellner, rief das Motto des Abends »Aus dem Gestern lernen und heute das Morgen gestalten« aus. Auf die 75-jährige Geschichte ging der Vorsitzende des DGB Bayern, Bernhard Stiedl, ein, und Florian Moritz, Abteilungsleiter Wirtschafts-, Finanz-, Steuerpolitik des DGB Bundesvorstands, sprach über Perspektiven.


Zellner sagte, das Jubiläum werde im DGB nicht gefeiert, denn der bayerische Gewerkschaftsbund wurde noch vor dem auf Bundesebene gegründet. Grassau habe eine lange Tradition mit einer starken Arbeiterschaft, so Bürgermeister Stefan Kattari. Er erinnerte an das Torflager Kendl-mühlfilzen, in dem nach dem Ersten Weltkrieg viele Arbeiter beschäftigt waren, aber auch an den Aufstieg und Fall der Körting-Fernseh- und Radiowerke mit bis zu 2000 Beschäftigten.

Stolz auf 36 Jahre SPD-Bürgermeister in Grassau

Die Grassauer seien es gewohnt, Arbeitnehmer aus anderen Ländern in der Gemeinde zu haben – dies zeige sich auch in der Weltoffenheit und politischen Offenheit der Gemeinde. »Ich kann mit Stolz darauf verweisen, dass in Grassau seit 36 Jahren die SPD den Bürgermeister stellt«, so Kattari. Mit Blick auf die steigenden Baulandpreise verwies er auf die Herausforderungen, Arbeitsplätze halten zu können.

Spannender als ein Rückblick sei es, in die Zukunft zu blicken, so Bernhard Stiegl. Klimawandel, Krieg, Pandemie und Inflation – »wir stehen vor gewaltigen Aufgaben«. Als 1947 der BGB gegründet wurde, brauchte man einen starken Dachverband. Seither hätten sich Arbeitswelt und Gewerkschaftsbund gewandelt. Die Grundsätze aber blieben gleich. Heute sind im DGB 800 000 Menschen, unabhängig von Parteien, Herkunft, Geschlecht und Religion, organisiert.

»Für eine Gewerkschaft gab es im NS-Staat keinen Platz«, erinnerte Stiedl an den ersten Widerstand. Nach dem Krieg wurde Deutschland zu einem geachteten Teil der Völkergemeinschaft. Viele Kollegen seien als Gastarbeiter gekommen, und es gelang, diese zu integrieren. »Wir sehen uns dem Frieden auf der Welt verpflichtet«, sagte er und ergänzte, dass man aktuell von einem stabilen Frieden in der Welt weit entfernt sei. Konflikte würden zunehmend mit Waffengewalt ausgetragen.

Der Interessengegensatz zwischen Kapital und Arbeit bestehe nach wie vor. An Insolvenzen seien Unternehmensführung und nicht die Arbeitnehmer schuld. »Wir sind die, die den Laden am Laufen halten«, so Stiedl. Das Mitbestimmungssystem sei unverzichtbar für eine soziale Marktwirtschaft. Ohne dieses wäre man auch 2008/2009 nicht so gut durch die Krise gekommen. Lippenbekenntnisse zur Partnerschaft reichten nicht aus. »Demokratie hört nicht vorm Werkstor auf«, so Stiedl.

Die Tarifautonomie sei Garant für unzählige Verbesserungen der Arbeitsbedingungen mit ähnlicher Bedeutung wie Sozial-, Arbeitslosenversicherung und gesetzlicher Krankenkasse. »Wir haben uns immer den Problemen gestellt und sie meistens gelöst.« Dennoch wurde die Gewerkschaft diffamiert als ewig Gestrige, und doch sei der Bund stark, denn Solidarität habe Zukunft.

»Profit-Preis-Spirale« kritisiert

Zur Verteilungsgerechtigkeit sagte Stiedl, er sehe die Schere zwischen Arm und Reich immer größer werden. Er forderte einen Spitzensteuersatz. Die Inflation beruhe nicht auf Lohnentwicklungen, sondern sei das Ergebnis spekulativen Profits. Es gebe keine »Lohn-Preis-Spirale«, sondern eine »Profit-Preis-Spirale«.

Stiedl betonte, dass immer wieder der Arbeitnehmer- Beitrag eingefordert werden. »Wo aber ist der Arbeitgeber-Beitrag, wo der Beitrag der Unternehmer, zumal Gewinne da sind?« Entlastungspakete seien ein wichtiger Schritt. Zufallsgewinne gebe es nicht nur in der Stromwirtschaft, sondern auch in der Mineralwirtschaft. Die Strompreisbremse wie auch eine Gaspreisbremse schafften Planungssicherheit und seien immens wichtig. Das 200- Milliarden-Euro-Programm der Regierung – Er könne sich nicht erinnern, wann eine Regierung jemals so viel Geld in die Hand genommen habe, um die Menschen zu entlasten. Es müsse jetzt nur noch ankommen. Schließlich gehe es um den sozialen Frieden. Der DGB in Bayern fordert einen bayerischen Härtefall-Fonds von 100 Millionen Euro. »Macht Politik für die Menschen, schaut nicht immer nur auf die Konzerne«, forderte Stiedl.

Aktuelle Herausforderungen beleuchtete Florian Moritz und verwies auf Klima- und Energiekrise, Wohnungsnot und Mietpreisentwicklung. Belastungen müssten abgefedert, Reallöhne gesichert, die Wirtschaft stabilisiert und in die Zukunft investiert werden. Moritz meinte, dass die drei Pakete der Regierung die Belastung abfedern können, fragte aber zugleich, ob diese reichen. Der DGB fordere eine zusätzliche Pauschale von 500 Euro für alle. Die Löhne seien seit 2021 preisbedingt gesunken, gute Tarifabschlüsse würden nötig. Zudem forderte Moritz eine gerechtere Verteilung des Inflationsausgleichs und legte das DGB-Steuerkonzept vor: unter anderem ein höheres Kindergeld, Mobilitätsgeld, Anpassung der Vermögens- und Erbschaftssteuer wie Übergewinnsteuer. Vehement forderte er eine Abschaffung der Schuldenbremse. »Es darf nicht in die Krise gespart werden«, sagte er.

Den Herausforderungen der Region im Bereich der Chemieindustrie im südostbayerischen Chemiedreieck widmete sich Günter Zellner.

Er kritisierte das zögerliche Handeln der bayerischen Staatsregierung beim Ausbau der Stromleitungen im Norden und beim Ausbau erneuerbarer Energien. Damit sei die Energieversorgung der Region in eine schwierige Lage geraten. Auch beim Ausbau der Zugstrecke München, Mühldorf, Freilassing erwarte er mehr Tempo.

Alle Ebenen müssen zusammenarbeiten

Stiedl betonte, dass nun alle Ebenen zusammenhelfen müssten, die Kommunale-, die Landkreis- wie auch die Bundesebene. Auch warnte er davor, den Demokratiefeinden nachzulaufen. Diese falschen Freunde seien keine Freunde der Arbeitnehmer.

Diskussionsleiter Sepp Parzinger, Organisationssekretär DGB Oberbayern, verwies auf den Erfolg des 12 Euro Mindestlohns. Es komme aber vor allem auf gute Tarifverträge an. Bayern brauche ein faires Lohngesetz. So sollten öffentliche Aufträge nur noch an Betriebe mit Tarifverträgen vergeben werden. Parzinger betonte, dass es dieses Tariftreuegesetz bereits in den anderen 15 Bundesländern gebe, nur in Bayern nicht. Er sei gegen »staatlich gefördertes Lohndumping«.

tb