»Hier ist das Gedächtnis der Gemeinde untergebracht«, stellte Stefan Kattari senior den Raum vor und zeigte zugleich ein Dokument von 1821 zu Maria Prugerin. In diesem über 200 Jahre alten Schreiben an das königlich Bayerische Landgericht macht der Grassauer Gemeindevorsteher Johann Mayr das Gericht auf die nicht arbeitswillige, herumstreunende Prugerin aufmerksam, die zudem als boshaft beschrieben wird. In diesem Schriftverkehr sind Hinweise auf das Armenwesen, Armenspeisung, Arrest und Arbeitshaus enthalten – Informationen über die Sozialgeschichte der Gemeinde. Erst 1840 wurden die Gemeinden selbstständig. Bis dahin entschied das Landgericht, was der Gemeindevorsteher zu tun hatte, berichtete der versierte Archivpfleger.
Die Suche vereinfacht das »Findbuch«. Auch dieses wurde von Kattari zusammengestellt. Nach Sachbegriffen geordnet, lässt sich die Box mit dem gesuchten Dokument schnell finden. Neben dem Archiv befindet sich ein weiterer Raum, der als Arbeitsraum betitelt wird. Hier können Interessierte in die gewünschten Akten Einsicht nehmen. Gesammelt wurden alte Rechnungen, Zeitungsausschnitte, Briefverkehr, Filmmaterial und vieles mehr. In einem weiteren kleinen Raum sind die Rottauer Unterlagen untergebracht. Viel Material ist noch nicht sortiert. Archivpfleger Kattari betonte, dass es noch Jahre brauchen werde, um alles zu ordnen.
Im Verlauf der Sitzung widmete sich der Rat dem Vorschlag einer Satzung für die Aufgaben und Benutzung des Gemeindearchivs. In dieser Satzung wird geregelt, was gesammelt und wie es verwahrt wird. Wichtig sei, so Bürgermeister Stefan Kattari, die Benutzung zu regeln. Hintergrund sei, dass bereits Dokumente verschwunden seien. Künftig wird folglich der Archivpfleger das angeforderte Material heraussuchen und der Interessant kann sich dieses dann ansehen, erhält aber nicht mehr Zutritt zum gesamten Archiv. Der Interessent muss zudem vorab einen Antrag an die Hauptverwaltung der Gemeinde stellen. Dies sei auch mündlich möglich, erklärte der Rathauschef.
Richard Schreiner (SPD) fragte, wer Archivgut einsehen könne. Laut Archivarin Martina Höhne darf dies jeder, der ein berechtigtes Interesse vorweisen kann, sei es, dass dieser Familienforschung betreibt oder aber eine Facharbeit für Schule oder Studium vorbereitet. Der Forschungszweck müsse formuliert werden. Da auch personenbezogene Unterlagen im Archiv vorhanden sind, können diese aus datenschutzrechtlichen Gründen erst nach Ablauf der Sperrfrist zugänglich gemacht werden. Diese Sperrfristen werden ebenfalls in der Satzung geregelt. Einstimmig wurde die Satzung beschlossen.
tb