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Gut erhalten ist das Skelett, das das Archäologenteam entdeckte – gut erhalten, weil die Knochen im Kalk lagen und mit keiner Säure in Kontakt kamen.

Bei Grabungen in Chieming entdeckte ein Archäologenteam Jahrhunderte alte Knochen

Chieming – Gelebt hat er im Mittelalter. So viel steht fest. Warum er aber schon mit gut 20 Jahren gestorben ist, bleibt ebenso offen wie die Frage, warum er in einem Grab außerhalb des damaligen Friedhofs gelegen ist. Viele Fragen wirft das Skelett auf, das Archäologe Mario Hölzl von der Firma X-Cavate Archaeology aus Geretsried bei den Grabungen auf einem Grundstück an der Grabenstätter Straße am südlichen Ortsrand von Chieming gefunden hat. Das Skelett sei »sehr »wertvoll«, sagt er im Gespräch mit dem Traunsteiner Tagblatt, schließlich seien menschliche Überreste aus dem Mittelalter im Chiemgau bislang höchst selten zutage getreten.


Auf dem Grundstück will Heinz Wallner ein Haus mit vier Ferienwohnungen bauen. Bevor er an eine Errichtung des Gebäudes geht, lässt er den Boden in Absprache mit dem Landesamt für Denkmalpflege in München untersuchen. Denn in der Nachbarschaft sind schon Spuren sehr alter Besiedelung zum Vorschein gekommen. Im Oktober hat Hölzl seine Arbeit aufgenommen, jetzt gehen sie zu Ende. Und seine Ausgrabungen haben zu einem spektakulären Ergebnis geführt. Entdeckt hat er Spuren einer Siedlung, die schon rund 4500 Jahre alt sind: Tierzähne, Gefäßscherben und anderes mehr aus der Jungsteinzeit.

Zum Abschluss der Grabungen auf dem geschichtsträchtigen Grundstück mit Überresten aus vielen Jahrhunderten hat Mario Hölzl noch einmal eine glückliche Hand bewiesen: Gestoßen ist er auf ein Skelett, das aus dem Mittelalter stammt – aus der Zeit, wie er sagt, nach dem Jahr 1000. Auf Anhieb ließen sich keine genaueren Angaben machen, als dass der junge Mann wahrscheinlich irgendwann zwischen dem 11. und 16. Jahrhundert gelebt hat. Die Datierung des Fundes eingrenzen könne man erst dann, wenn wissenschaftliche Untersuchungen erfolgen.

Einen Namen hat der unbekannte Mann aus dem Mittelalter schon. So erzählt Heinz Wallner, dass man sich familienintern auf »Cemmi« verständigt habe. Erahnen könne man so, dass der Fund in Chieming zutage getreten ist – ganz abgesehen davon, dass heute niemand diesen Phantasienamen trägt.

Erstaunlich sei, so Archäologe Hölzl, dass die menschlichen Überreste außerhalb des Friedhofsareals der einstigen – heute schon längst verschwundenen – Kirche St. Peter zutage getreten seien. Der junge Mann könnte seinerzeit aus der Bestattungsgemeinschaft ausgeschlossen worden sein, weil er möglicherweise ein Verbrecher war, weil er krank war oder auch weil er schlicht und ergreifend einfach nur ortsfremd war, mutmaßt der Archäologe. Womöglich werde sich die Herkunft des Mannes eines Tages bestimmen lassen. Schließlich könne man mit wissenschaftlichen Methoden über die Zähne feststellen, welche Nahrungsmittel in welcher regionalen Ausprägung er seinerzeit zu sich genommen hat. Und über einen Abgleich könne man dann herausbekommen, wo er gelebt hat. Diese und ähnliche Untersuchungen seien nun erforderlich.

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Vorsichtig legten die Archäologen die Knochen frei.

Nicht viel lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt über den Mann sagen, den der Erdboden freigegeben hat. So hat das Ausgrabungsteam, wie Hölzl weiter erzählt, keine Grabbeigaben gefunden, die in anderen Fällen Rückschlüsse auf Alter, Herkunft und Stand zulassen. »Datenmaterial fehlt«, sagt der Archäologe – Datenmaterial, das womöglich die Wissenschaftler liefern, die den Fund nun eingehend untersuchen werden.

Das Skelett kommt jetzt in die Staatssammlung für Anthropologie in München. Und dort werden die Überreste, die Hölzl entdeckt hat, genau untersucht. Der Archäologe rechnet fest damit, dass man dann vor allem auch den Sterbezeitraum zumindest einigermaßen genau benennen kann. Auch geht er davon aus, dass viele weitere Informationen gesammelt werden – etwa über den Gesundheitszustand des jungen Mannes, dessen Leben doch so ungewöhnlich früh – mit erst 20 bis 25 Jahren – zu Ende ging. So könnte dann vielleicht auch die Frage geklärt werden, ob er eines natürlichen Todes gestorben oder gewaltsam ums Leben gekommen ist.

Die Ausgangslage für wissenschaftliche Untersuchungen sei gut, denn das Skelett sei vollständig erhalten. Die Knochen seien in Kalkschichten gelegen. Fast keine Säure, die sie zersetzen hätten können, sei im Boden vorhanden.

Theoretisch werden die Toten, die von den Archäologen entdeckt und ausgegraben werden, laut Hölzl irgendwann einmal wieder bestattet. Doch praktisch ist dann offen, ob sie tatsächlich zurück in die Erde kommen. Und so werde nun wohl auch das Skelett aus Chieming zuerst einmal in der Staatssammlung für Anthropologie bleiben – zwecks wissenschaftlicher Untersuchungen. Was dann später mit ihm passiert, werde offen bleiben.