Bergen – Ein glitzernder Christbaum, schön verpackte Geschenke und ein üppiges Festessen – das ist für uns Weihnachten. Nach Kriegsende sah das anders aus. Die meisten Menschen hatten gerade das Nötigste zum Leben. Hans Landler erinnert sich noch gut an diese Zeit. In einem Gespräch mit dem Traunsteiner Tagblatt blickt er zurück auf Weihnachten 1945. Was ihm vor allem in Erinnerung blieb? Es ist ein Lachen.
Zusammen mit seiner drei Jahre älteren Schwester Agnes ist Hans Landler auf dem Sonnleiten Hof in Bergen aufgewachsen. Die beiden wohnten zusammen mit ihren Eltern in einem Zuhaus des Hofes, der einer reichen Familie gehörte.
Hans Landler erinnert sich, dass während des Krieges noch eine Polin und ein Pole als Helfer auf dem Hof angestellt waren. Nach Kriegsende durften sie dort aber nicht mehr arbeiten und wurden in ein Lager nach Traunstein gebracht. Doch im Frühjahr stand viel Arbeit an – »und wir hatten keine tatkräftige Hilfe mehr«, erzählt der heute 82-Jährige. Als Hans Landlers Vater erfuhr, dass in Traunstein am Arbeitsamt entlassene Soldaten auf Arbeit warteten, fuhr er sofort mit einem Pferdegespann los, um einen von ihnen auf den Hof zu holen.
»Ausgehungerter und ausgemergelter Mann«
»Mein Vater kam mit einem ausgehungerten und ausgemergelten Mann zurück, der in einer schmutzigen Soldatenuniform gekleidet war. Man hätte meinen können, er würde gleich aus seinen Filzstiefeln kippen, in so einem schlechten Zustand war der Mann«, hat Hans Landler den geschwächten Mann auch heute noch vor Augen.
Seine Mutter hat den Soldaten mit Haferschleimsuppe und Schonkost aufgepäppelt – und mit der Zeit wurde ein stattlicher, starker Helfer aus ihm. Wie er genau hieß, an das kann sich Hans Landler nach all den Jahrzehnten nicht mehr erinnern. »Wir nannten ihn einfach Schlüter«, sagt er. »Er war ein Bauer aus Schlesien, der vom Verbleib seiner Familie nichts wusste. Man merkte, dass ihm die Ungewissheit sehr zusetzte«, sagt Hans Landler.
»Schokolade gab es nicht«
Am Heiligen Abend wurden er und seine Schwester Agnes schon am Nachmittag gebadet. Und auch mit der Stallarbeit wurde früher begonnen. »Da wir eine ganz unmusikalische Familie waren, war es der Brauch, dass vor der Bescherung ein paar 'Gegrüßet seist Du Maria' gebetet wurden«, erinnert sich Landler. Richtig große Geschenke bekamen er und seine Schwester vom Christkind damals nicht. Agnes hatte sich ein neues Kleid für ihre Puppe gewünscht und der damals siebenjährige Hans einen neuen Schweif für sein Spielzeugpferd.
Bei der Bescherung gab es einen Punsch aus Lindenblütentee mit einem Schuss Apfelmost und dazu Blechkuchen mit Zuckerrüben-Sirup gesüßt. »Den Sirup hat meine Mutter immer selbst gemacht, viele wissen heutzutage gar nicht mehr, wie so etwas geht«, sagt Landler und ergänzt: »Schokolade gab es ja früher nicht.«

Auch der Helfer aus Schlesien durfte zusammen mit der kleinen Familie Weihnachten feiern. Sie hatten »Schlüter« lieb gewonnen. Doch er zog sich am Heiligen Abend auf die Eckbank zurück und tat so, als würde er in einem Buch lesen, erzählt Hans Landler. »Dabei sah man, wie ihm die Tränen über die Backen liefen.« Das bemerkte auch die Mutter – und sie forderte Hans auf, mit seinen Kasperlfiguren zu spielen. Der Siebenjährige hatte sich aus einer großen Pappschachtel eine Bühne mit Vorhang gebastelt. »Die Nachttischlampe vom Nachtkasterl der Mutter war die Bühnenbeleuchtung.«
Sein Vater hatte ihm aus Holzklötzen zwei Gesichter geschnitzt. Aus einem wurde der Kasperl und aus dem anderen der Teufel. In den langen Wintermonaten hatte der kleine Hans fast an jedem Abend eine Aufführung gegeben – manchmal für sich alleine, manchmal schauten seine Eltern und seine Schwester zu. So auch an diesem Heiligen Abend.
»Meine Holzköpfe haben zum Streiten angefangen, dass es eine Freude war«, erinnert sich Landler. Und »Schlüter« hat mit der Zeit doch von seinem Buch aufgeblickt und die kleine Vorführung verfolgt. »Als sich meine beiden Köpfe immens in den Streit hineingesteigert hatten, da fing der 'Schlüter' herzhaft an zu lachen«, erinnert sich der heute 82-Jährige.
»Wenn ich so zurückdenke und mich frage, was hat mich an Weihnachten 1945 mehr gefreut, die Puppen oder das Lachen vom 'Schlüter', dann sage ich: das Lachen war für mich die größte Freude!« aha