Aufwühlend riss der 1. Satz von Schuberts Streichquartett »Rosamunde« die innere Dramatik dieser abendlichen musikalischen Stunde an, bevor Thomas Schütz in zwei Liedern von Hugo Wolf nach Gedichten von Eduard Mörike die beiden Pole menschlicher Existenz ansprach, das Selbstbestimmt-Sein in »Verborgenheit« und die Gottesergebung in »Gebet« (»Herr, schicke was du willst«). Mit dem hochdramatischen »Schicksalsmotiv« einer abwärtsgerichteten Triole beginnt der Kopfsatz des Streichquartetts d-Moll D 810 »Der Tod und das Mädchen« von Franz Schubert. Thomas Reif, Christina Koch, Clemens Cordon und Ursina Braun, ein Quartett noch »sine nomine«, gestalteten ihn intensiv und spannungsgeladen mit gemeinsamem musikalischem Atem; es war beeindruckend, welch enormes Potenzial an Ausdruckskraft und Gestaltungswillen in diesen jungen Leuten steckt.
In einem Zyklus von sieben ausgesuchten Schubert-Liedern sprach Thomas Schütz die Befindlichkeit und die Sehnsüchte des Menschen an, die Hoffnung, das Glück in der Bescheidung, die Unerreichbarkeit des Absoluten, die Todessehnsucht, den Wunsch nach endgültiger Heimat. Groß ist seine Stimme geworden, groß im Stimmumfang vom profunden Bass bis zum abgedunkelten Bariton, groß im Volumen, großartig im Ausdrucksvermögen, dabei immer deutlich in der Artikulation. Christoph Schnackertz war ihm ein getreuer, kongenialer Begleiter und Mitgestalter am Flügel.
In dem Lied »Litanei auf das Fest Allerseelen« deutete sich die Versöhnung mit dem Schicksal an: »Alle Seelen ruhn in Frieden«; im 2. Satz von D 810, der den von Schubert vertonten Text des Matthias Claudius-Gedichtes »Der Tod und das Mädchen« zum Thema hat, spricht der Tod das Mädchen, das zuerst vor dem »wilden Knochenmann« zurückschreckt, in tiefem Ernst an: »Gib deine Hand, bin Freund und komme nicht zu strafen« – in herrlichen Variationen tröstlich entfaltet. Überschwänglichen »Dank« für alles, was den Menschen bewegt, sprach Thomas Schütz mit dem Lied von Arnold Schönberg aus.
Nach einer angenehm langen Stille entlud sich der Dank der Zuhörer in überzeugtem Beifall. Eine Zugabe schien eigentlich unmöglich, doch dann beschloss Johannes Brahms' »Feldeinsamkeit« ganz entspannt und entrückt den Liederabend. Engelbert Kaiser