Oder wird das Konzerterlebnis womöglich unter den vielen Hygienemaßnahmen leiden? Werden die Veranstalter andererseits genügend Schutzmaßnahmen treffen? Wird man sich mit Bekannten und Freunden vor und nach dem Konzert austauschen können?
Die Vorfreude auf die Konzertreihe, die ja für viele schon seit langen Jahren ein ebenso fixer Termin im Kalender ist wie so mancher hohe Feiertag, war verknüpft mit der Sorge, sich diesmal mit weniger begnügen zu müssen – sowohl beim gesellschaftlichen Miteinander als auch bei der Musik.
Nach sieben Abenden und vierzehn Konzerten kann man sagen: Die Entscheidung, die Konzerte durchzuführen, war goldrichtig. Sobald die Zuhörer Platz genommen hatten, die Masken abgesetzt waren, Ruhe eintrat, alle Blicke erwartungsvoll auf das Podium gerichtet – da war plötzlich alles genau so, wie es sein sollte. Was jetzt zählte, war die Musik. Und diese bot ganz neue Entdeckungen aus England, dem Land, dem die diesjährigen Sommerkonzerte gewidmet waren. Neben Benjamin Britten und Henry Purcell, die noch den meisten geläufig sind, waren es William Walton, Rebecca Clarke, Ian Clarke und Harrison Birtwistle, die mit interessanten bis faszinierenden Werken das bekannte kammermusikalische Repertoire bereicherten. Es ist in jedem Jahr wieder erstaunlich, was ein Blick über den eigenen musikalischen Tellerrand bewirkt: Unverhoffte musikalische Weiten tun sich auf, und die Ahnung, dass unser Horizont recht begrenzt ist und es noch Vieles aufzuspüren gibt in der Welt der Klassischen Musik, verfestigt sich.
Jeweils zwei Konzerte an einem Abend
Die Musiker, angereist aus dem In- und Ausland, freuten sich auf die Auftritte mindestens ebenso sehr wie das Publikum. Sie interpretierten die Werke nicht nur auf dem gewohnt hohen Niveau, wie man es von den Traunsteiner Sommerkonzerten kennt und erwartet, sondern leisteten auch den Kraftakt, zwei Konzerte an einem Abend zu spielen – auf diese Weise konnte sowohl mehr Publikum als auch eine akzeptable wirtschaftliche Lage erreicht werden.
Die neu renovierte Klosterkirche bot für die Musik einen äußerst stilvollen, angemessenen und freundlichen Rahmen. Die Stadt Traunstein und die vielen engagierten freiwilligen Helfer trugen erheblich zum Gelingen der Konzertreihe bei, indem sie anstehende Aufgaben übernahmen und darauf achteten, dass die Vorschriften auch eingehalten wurden. Sowohl in organisatorischer als auch in künstlerischer Hinsicht verdient die Künstlerische Leiterin Imke von Keisenberg für die Leistung, diese 40. Traunsteiner Sommerkonzerte so erfolgreich auf die Beine gestellt zu haben, große Anerkennung. Obwohl die Hindernisse, die es zu beseitigen galt, enorm waren, entstand ein Programm, dem man weder ansah noch anhörte, dass wir uns in einer Krise befinden.
Nach dem letzten Konzert mit dem »Danish String Quartet« (wir berichteten) überbrachte zweite Bürgermeisterin Burgi Mörtl-Körner im Namen der Stadt Dankesworte an die Organisatoren einer »musikalisch großartigen Woche«. Sie sprach von einem großen Glück für Traunstein, dass in dieser Zeit vielfältiger Beschränkungen erneut Kammermusik auf höchstem Niveau gespielt werden konnte.
Mörtl-Körner erinnerte an die Gründerin Dorothee Ehrensberger, die bis zu ihren Tod 2013 die künstlerische und organisatorische Leitung hatte. Sie wurde damals ebenso von zahlreichen Ehrenamtlichen unterstützt wie die jetzige Leiterin Imke von Keisenberg, die von Mörtl Körner mit Blumen geehrt wurde. Blumen und Dank gab es auch für Roxane Lindlacher, Brigitte und Dr. Stephan Seifert, Dr. Johanna Steiner, Eberhard und Tobia Spörlein und Maria Bittel sowie Eva Schneider.
Einmal mehr haben die Traunsteiner Sommerkonzerte in diesem Jahr dazu beigetragen, das klassische Musikleben zu einem sehr lebendigen werden zu lassen. Sie bewegen sich am Puls der Zeit und setzen der so oft bezeichneten »schwächelnden Klassikbranche« ein Erfolgskonzept entgegen. Wohl vielen dürfte ein Besucher von weit her aus der Seele gesprochen haben, der beim Verlassen der Klosterkirche nach dem letzten Konzert mehr zu sich selbst meinte: »Was die Provinz so alles zu bieten hat…«.
J. Steiner/A. Huber