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Luise Kinseher stellte in der Traunsteiner Kulturfabrik NUTS ihr neues Bühnenprogramm vor.

Vorpremiere zu »Wände streichen. Segel setzen«

An zwei Abenden war die Traunsteiner Kulturfabrik NUTS nach langer Zeit wieder ausverkauft. Luise Kinseher spielte die Vorpremiere zu ihrem neuen Programm »Wände streichen. Segel setzen«.

Kinseher trat bereits zum zehnten Mal im NUTS auf. Man kennt sie als Schauspielerin und sie predigte als erste Frau in der Rolle der Mamma Bavaria auf dem Nockherberg. In Traunstein betrat Kinseher zuerst als schwerreiche Witwe auf der »Aida«, begleitet von Möwengeschrei, die Bühne. Alles, was ihr verblichener Heinz hinterlassen hatte, hat sie versilbert. Die Rolex, den Mercedes, den Bungalow, die Adiletten, das Mietshaus in der Hollestraße. Doch zu welchem Schließfach passt der Schlüssel aus seinem Safe? Mit dem Erbe will sie den Rest ihres Lebens auf dem Kreuzfahrtschiff verbringen.

Von der ersten Minute an verspürte das Publikum die enorme Bühnenpräsenz von Luise Kinseher. Gleich bei der Begrüßung zu ihrem neuen Programm »Wände streichen. Segel setzen« entdeckte sie einen Riss im Bühnenboden und kommentierte: »So hods bei mia aa ogfangd vor 20 Jahr« Sie erzählte von ihrer Wohnung in der Hollestraße und dem Biotop, das sich in ihrem Wohnzimmer entwickelt hat. Dort nisten im Lampenschirm Kanarienvögel und um den Teich im Parkett schwirrt eine sibirische Libelle. Die Grünen hätten ihre wahre Freude daran. Die Immobilienfirma Hai, die das Haus kürzlich erworben hat, hat ihr gekündigt wegen Beschädigung der Bausubstanz.

Und überhaupt, die Grünen! Die wären ja mittlerweile sogar als Regierungspartei in Bayern denkbar. Darüber müsse sich auch das »personifizierte Testosterongeschwür aus Franken« im Klaren sein. Kinsehers Themen sind skurrile Alltagssituationen und die bayerische Landespolitik. Sie verglich ihren Vater mit einem schwarzen Loch, denn auch seine Existenz war für sie nur anhand von Randerscheinungen feststellbar. Weil ihre Mutter die großen weißen Unterhosen gebügelt hat, musste es einen Vater geben, auch wenn sie ihn nie sah.

Als ständig betrunkene »Mary from Bavary« befasst sie sich seit kurzem mit Waldbaden als Ersatz für ihre Reisen nach Mallorca. Dort ginge es zu, dagegen sei das Oktoberfest ein veganer Kindergeburtstag. Früher kannte sie nur drei Vögel: die Schnapsdrossel, den Schluckspecht und den Reiher. Ihr Heiliger hieß Fernet Branca. »Wenn du im Wald so ein Blatt betrachtest, diese Verästelungen, da werden dir die eigenen Falten wurscht. Als »Mary from Bavary« hat sie sich dem Operngesang verschrieben. Es stört sie aber, dass sie so viel üben muss. Immerhin kann sie schon die Rachearie der Königin der Nacht aus der Zauberflöte, die sie auch gleich zum Besten gab.

Wieder auf dem Kreuzfahrtschiff unterhält sich die Witwe mit ihrem verblichenen Heinz, der ihr durch das Geschrei einer Möwe Antwort auf die Schlüsselfrage gibt. In dem Schließfach in einer Schweizer Bank liegt das 20 Jahre alte Gutachten über das Haus in der Hollestraße, in dem der Riss im Parkett dokumentiert ist. Die Kabarettistin versteht es, mit Blicken, Mimik und Pausen ihre fein nuancierten Pointen zu betonen. Durch ihr schauspielerisches Können kann sie ohne Bühnenumbau die Szene wechseln.

Das Publikum forderte nach zwei kurzweiligen Stunden eine Zugabe. Nach einigem Geplänkel mit ihrem Bühnentechniker Simon Ernst sang dieser sehr professionell »Let the sunshine fall on me« von Elton John. Diese Stimme hätte man gerne länger gehört. Es waren zwei sehr erfrischende und entspannte Abende mit der Luise, den alle Besucher nach der Pandemiezeit gebraucht und genossen haben. fb

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