Die bekanntesten Melodien, schon fast Volkslieder, aus seiner Oper »Carmen« hatte Georges Bizet zu einer Orchestersuite zusammengefasst; in der Bearbeitung durch das Münchner Gitarrentrio klangen sie unglaublich locker und authentisch zugleich, auch die Kastagnettenklänge der Aragonaise, mit den Fingernägeln auf die Zargen der Instrumente geklopft. Glaubwürdig ließ das Trio »die Liebe vom Zigeuner stammen« und den Toreador »auf, in den Kampf« ziehen. Nach der verhaltenen Zwischenmusik des »Entr'acte« glaubte man beim »Gypsy Dance« verführerische Zigeunermädchen tanzen zu sehen.
Fein, differenziert und im vollen Klang der Instrumente gestaltete das Trio diese fünf in allen Nuancen mit Hirn und Herz durchformulierten Sätze wie vorher schon das Vivaldi-Concerto, war sichtlich glücklich über die erfreuten Reaktionen der Zuhörer. Kameradschaftlich teilten sie sich Melodien, Gegenmelodien und Begleitung auf. Diese Interaktion bestimmte auch die drei Stadt- oder Landschaftsbilder, die Isaac Albéniz skizziert hat: Aragón (sehr lebhaft, mit einem stimmungsvollen Innenteil); Orientale (trotz der östlichen Bezeichnung verführerisch andalusisch) und Sevilla (der musikalische Inbegriff der spanischen Art in Stolz und auch Sentiment). Albéniz hat zwar kein einziges Werk für Gitarre geschrieben, sein Instrument war das Klavier, hat aber selber Gitarrentranskriptionen den Originalen vorgezogen.
»Lava« von Thomas Etschmann (*1959) war die erste Originalkomposition für drei Gitarren in diesem Konzert. Natürlich könne man einen Lavastrom nicht in Töne übersetzen, gab der Komponist zu, aber beim Betrachten stiegen Assoziationen auf: von weitem gesehen wirke fließende Lava ganz ruhig, doch aus der Nähe spüre man die Unruhe und Hitze. Diese Eindrücke inspirierten ihn zu einem Stück minimalistischen Charakters mit Teilen und Strukturen, die sich voneinander lösen, sich verschieben, dann wieder zusammenfließen und sich aufbäumen – eine ausdrucksvolle musikalische Beschreibung.
Nach der »Pavane« von Gabriel Fauré, einem eleganten, würdevoll gemessenen Schreittanz, folgte eine weitere Originalkomposition, »Baiao de Gude« des Brasilianers Paulo Bellinati (*1950), ein »Tanz der Murmeln«, bei dem die Marmorkugeln frei rollen, aneinander stoßen und prallen, sich ablenken und rhythmische Spiele in synkopischer Eleganz treiben.
Als Tribut an die Kälte im und den Dauerregen vor dem Kircherl hatte man auf eine Pause verzichtet. Die Musiker hatten sogar zwei Stücke aus dem vorgesehenen Programm genommen; die gaben sie auf das drängende Klatschen des Publikums zu. Zuerst »Introduction et Fandango« aus einem Streicher-Gitarrenquintett von Luigi Boccherini, eine »harmlose« Einleitung und einen rassig-insistierenden Paartanz. Für den Kenner Casanova war der Fandango ja der »verführerischste und wollüstigste Tanz der Welt«. Darauf passte »Carnaval« des Kanadiers Patrick Roux (*1962), eine weitere Originalkomposition. Sie wurde zum »modernsten« Stück im Konzert und verströmte in lässigen Synkopen rhythmisiert pure, vitale Lebenslust. Engelbert Kaiser