Eine Konstante für Pollini: Schönberg und Beethoven. Schon 1974 fanden sich in seinem Solistenkonzert (dem zweiten, das er in Salzburg gab) Schönbergs Drei Klavierstücke op. 11 und dessen Sechs kleine Klavierstücke op. 19. Auch Beethovens Sonate »Der Sturm« war damals im Programm. Pollini zählt nach wie vor zu den großen Beethoven-Exegeten unserer Tage. Im langsamen Satz dieser Sonate (Nr. 17 op. 31 Nr. 2) trifft er aufs Überzeugendste die Verschränkung aus metrischer Strenge einem gleichsam poetisch glühenden Ton. Im Eröffnungssatz lässt Pollini zwischen den Läufen gleichsam die Zeit stehen.
Für solche Blickwinkel auf die Musik trotzt man gerne auch den herausfordernden 35 Grad. Schon gar für Schönberg! Pollini hat nie bloß reproduziert, er hat mit diesen Werken auch öfter mal wieder »neu angefangen«. Milde klingt nun manches, was nicht heißt, dass es an Spannung fehlt. Im mittleren der Drei Klavierstücke op. 11 führt Pollini die Überlebenskraft des Bass-Ostinatos (eines Terz-Motivs) vor, zeigt mit den markanten seitwärts drängenden, ausbrechenden und ausschweifenden Irritationen in Mittellage und Diskant, wie dieses Ostinato nicht und nicht totzukriegen ist. Ein leiser Überlebenskampf im Biotop, nach dem die knappe, schnelle Bewegung des dritten Teils absolut zwingender und notwendiger Kulmisationspunkt der Energie ist.
Ganz anders der energetische Verlauf in den Sechs Kleinen Klavierstücken: Das Finale »Sehr langsam« in verinnerlichter Welt-Abgewandtheit – das hat der letzte Huster im Auditorium verstanden.
In Sachen Beethoven (nach der Pause folgten die Sonate 24 Fis-Dur op. 78 und die »Appassionata«) feierte Pollini kürzlich ein Jubiläum. Mit der im Herbst vergangenen Jahres erschienenen CD mit den insgesamt fünf Sonaten op. 31 und 49 (da gehört also »Der Sturm« dazu) hat er seine vier Jahrzehnte währende Gesamteinspielung aller Beethoven-Sonaten abgeschlossen. Reinhard Kriechbaum