Hatte man den Programmzettel zuvor etwas genauer studiert, war klar, in welche Richtung die Künstlerin sich entwickelt hatte. Über Gedichte, Lieder und Geschichten von Heinrich Heine, James Krüss, Robert Gernhardt, Karl Heinrich Waggerl und Bertolt Brecht spann sich der literarische Bogen in der Ankündigung.
In ihrem Weihnachtsprogramm »Es fällt ein Stern herunter« goss die vielseitige Künstlerin dann auch tatsächlich ein literarisches Füllhorn über die Zuhörer aus; anspruchsvoll, patent, energisch, warmherzig und mit ein wenig Berliner Schnauze präsentierte sie herrlich widerborstiges, unangenehmes, aufrüttelndes, herzerweichendes Gedankengut.
Ein Weihnachtsprogramm mit Katja Ebstein, die in Traunstein von Martin Gärtner am Klavier begleitet wurde, ist irgendwie so politisch, als würde man endlich wieder an einem Ostermarsch teilnehmen, denn sie bereitet einem ein geradezu herrliches Unbehagen. Ihre samtene, volltönende Altstimme kann ihre Krallen gefährlich rau ausfahren, wenn sie »Morgen, Kinder, wird's nix geben« von Robert Gernhardt singt, oder wunderbar gebrochen klingen bei »Maria durch ein Dornwald ging«. Diese Frau ist ein Wunder an Gedächtnisleistung – das Mammutprogramm an Text präsentierte sie aus dem Kopf –, ihre äußerliche Erscheinung hat sie als Markenzeichen perfekt konserviert, und ihre unbestechliche Klugheit und ihr Scharfsinn lassen sie noch jünger wirken, als sie das durch ihre »Bella Figura« eh schon tut.
Aber wie würde das Traunsteiner Publikum auf all die sozialkritischen Texte reagieren? Darf man das denn, einem so die Weihnachtsstimmung ankratzen? Und zum Schluss das Lied »Stille Nacht, heilige Nacht« in »Stille Nacht, grausige Nacht« umwandeln? Wie würden sie reagieren, die Traunsteiner? Sie reagierten mit Standing Ovations! Denn das war bei all dem immer herauszuhören und zu spüren in ihrem Programm: dass sie an die Liebe glaubt. Das hat sie mit einem Zitat von Heinrich Heine ganz wunderbar auf den Punkt gebracht: »Es fällt ein Stern herunter; Du fragst mein Kind was Liebe ist? Ein Stern in einem Haufen Mist.« Ja, und dass die Menschen das können, für einander da zu sein, wie sich immer wieder in den großen Spendengalas in Rundfunk und Fernsehen zeigt, in denen sie die Anzahl der Sterne auf dem Mist ordentlich vermehrt. Barbara Heigl