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Das uraufgeführte Werk »KRAFT« von Patrick Pföß ist von einer Grafik des verstorbenen Traunsteiner Künstlers Heinrich Stichter inspiriert. (Foto: Mergenthal)

Spielerisch an »Neue Musik« herantasten

Wie vielfältig zeitgenössische Musik sein kann und wie viel Spaß sie machen kann, zeigte ein Konzert mit dem Titel »Hilfe! Neue Musik« im Pfarrheim Siegsdorf. Der Musiklehrer Patrick Pföß präsentierte mit 30 Musikern, darunter drei Lehrer und ansonsten Schülerinnen und Schüler von sechs Lehrern der Cajetan-Adlgasser-Musikschule Inzell, Stücke diverser moderner Komponisten. Auch zwei Werke von Pföß wurden dabei uraufgeführt.

Bereits vor den Sommerferien hatte man mit dem Einstudieren begonnen. Pföß führte durchs Programm. Ein Klang-Mandala eröffnete den Abend. »Continuous Creation« von Peter Michael Hamel (geboren 1947) entstand 1972 in Indien. Es ist, wie der Name sagt, wie ein immerwährendes Erschaffen und Gebähren. Justin Schubert begann allein an der Gitarre. Nach und nach gesellten sich die anderen Instrumente dazu, wie Klavier (Anna-Lena Seitz), E-Piano (Patrick Pföß), Geige (Lara Schweiger) und die beiden Querflöten von Lena Geißelbrecht und Stefanie Götz.

Vor einem an die Wand projizierten Mandala entstand ein wellenartiges Woben. Immer wieder veränderte sich durch die Einsätze der Gesamtklang, immer wieder kam eine neue Facette dazu. In höchster Konzentration zelebrierten die Jugendlichen diese Klang-Meditation, die plötzlich von einer strahlenden Querflöte überhöht wurde, bis alles wie Meereswogen verebbte.

Mit Schülern beteiligt waren neben Pföß (Flöte) Sabine Kübler und Veronika Rosshuber (Violine), Andreas Kapellner (tiefes Blech), Támas Ferge (Klarinette und Saxophon) und Timothy Blagrave (Klavier). Souverän spielte Anna Speckbacher das mit Tremolos experimentierende »Flatterhaft – rock zock« aus »Papierblüten« von Ulrich Gasser (geboren 1950).

Blubbernde Fische

Sichtlich Spaß hatten Lena Leitmayer und Magdalena Mayer bei der Imitation blubbernder Fische durch Experimente mit dem Flötenkopfstück und schnell weg hüpfender Grashüpfer durch das Rein- und Rausdrehen der Flöte. Bei diesen Stücken aus »Eine kleine Tiersuite« von Friedgund Göttsche-Niessner (geboren 1954) begleitete sie ihr Lehrer. Ausdrucksstark interpretierten Noemi und Josia Lindner »Fishing by moonlight« von Jeremy Dale Roberts (1934 bis 2017).

»Fünf Fabelwesen« für Querflöte solo von Patrick Pföß (geboren 1981) wurde von der Laufener Grafikerin Maria Schmid illustriert. Fünf Flötistinnen, von der Anfängerin bis zur Fortgeschrittenen, porträtierten fünf Fabelwesen aus diversen Regionen: Hemma von Wolff den »Wolpertinger«, Magdalena Neubauer den Hühnerdieb »Elwetritsch« aus der Pfalz, Luisa Forster den trotteligen Fastnachts-Bär »Dilldapp« aus Hessen, Anna Speckbacker den gruseligen »Blutschink«, der im Maisfeld Kinder jagt – in Form eines »Spiegels« komponiert – und Eva Maier den »Rasselbock« aus Thüringen, ein Hase mit Hirschgeweih. In der lustigen »Stripsody« von Cathy Berberian (1925 bis 1983) zeigte Pföß solistisch, wie allein die Stimme Comic-Strips kreiert.

Mit Blagrave imitierte Miriam Lindauer im Klavierduo »Steerable Grandfather« von Timothy Salter (geboren 1942), das von einer Zeichnung von Paul Klee inspiriert ist, einen Großvater. Die Kommunikations-Herausforderungen mit »Zoom« setzte »Zoom für vier Flöten« von Tim Knight (geboren 1959) in Szene, mit Sarah Böhm, Sabrina Schwangler, Eva Maier und Teresa Moser.

Der zweite Höhepunkt des Abends, Pföß' Komposition »KRAFT«, wurde mit 20 Akteuren uraufgeführt und funktionierte ähnlich wie »FIVE« von John Cage (1912 bis 1992), letzteres mit Anna-Lena Schürf (Flöte), Pföß (Klavier), Lilli Neubauer (Klarinette), Elisabeth Schröter (Violine) und Konstantin Hutterer (Saxophon). In seinem Werk, eine Art »Slow-Motion-Betrachtung« einer dynamischen Grafik von Heinrich Stichter aus Traunstein, arbeitet Pföß mit »harmonischen Feldern«. Jeder hatte seine individuelle Stimme, die er mit Hilfe des Handy-Timers in einem ganz bestimmten Zeitfenster spielte und in die sich stetig verändernde, mal abbrechende und mal sich kraftvoll zuspitzende »Klangwolke« einbrachte. Reizvolle Effekte schuf am Anfang eine kreative Art der Dämpfung mit Hilfe von über Köpfe, Flöten und Notenständer gehängten Kapuzen-Shirts.

Begeisterter Applaus belohnte die Interpreten. »Spannend«, staunte spontan eine Mutter. Von den Schülern erhielt Pföß Feedbacks wie »Das hätte ich nicht gedacht, dass das so viel Spaß macht«, »Das war mal was ganz anderes« oder »Das macht den Kopf frei«. Inzwischen wurde der Tonkünstlerverband auf Pföß' Konzept »Hilfe! Neue Musik« aufmerksam. »Nächstes Jahr soll ich dazu eine Fortbildung machen«, berichtete der gebürtige Traunsteiner erfreut.

Veronika Mergenthal

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