Jean Sibelius’ »Der Schwan von Tuonela« op. 22 ist eine sinfonische Legende von traumschön lyrischer Stimmung, deren Charakter geprägt ist von Zartheit und Schwermut. In vier Legenden schildern Sibelius’ Tonfantasien die Reise des aus der finnischen Mythologie stammenden legendären Kriegers Lemminkäinen. Parallelen zu Richard Wagner und dessen Parsifal, für den Sibelius große Bewunderung hegte, liegen nahe.
Das melancholische Lied des singenden Schwans
Tuonela bezeichnet das finnische Totenreich, die Toteninsel, um die im hier gespielten zweiten Stück ein singender Schwan seine Kreise zieht. Sein melancholisches Lied ist dem berühmten Solo des Englischhorns anvertraut, hier von Franz Kerschner klar, tonschön und berührend gesungen. Das Cello begann geheimnisvoll, die Violinen mischten sich ein, bevor »der Schwan« mit seinem betörenden Gesang anhob. Feine Pizzikati oder Tremoli der Violinen untermalten im Wechsel mit den Bläsern. Romantische Klangformen rührten balsamisch ans Gemüt. Ein Walzer drängte sich einem bei diesem meditativen Teilstück aber nicht auf. Eigentlich hätte man gerne die ganze Legende gehört.
In Alban Bergs Violinkonzert finden sich im Violinpart tänzerische Rhythmen. Aber auch hier ist die Basis ein Trauergedanke. »Dem Andenken eines Engels« ist das Konzert gewidmet im Gedenken an die 18-jährig verstorbene Tochter Manon von Gustav Mahlers Witwe Alma Mahler und dem Bauhaus-Architekten Walter Gropius. Die Komposition war Bergs letzte und wurde zugleich sein eigenes Requiem, da er kurz darauf starb. Christian Simonis und die Philharmoniker haben dieses Stück mit großem Engagement einem schönen Ergebnis zugeführt.
In Cecilia Zelliacus lernte man eine wunderbare Geigerin kennen, die den Solopart mit Kenntnis, Feingefühl und instrumentalem Glanz zum Ereignis machte. Inmitten der zwölftönigen Anlage des Orchesterparts mit abrupten Wechseln und intensivem instrumentalem Einsatz beeindruckte die Geigenstimme mit tonalen Passagen und Zitaten, mit eingestreuter Volksliedmelodik und tänzerischen Anklängen. Als besondere technische Herausforderung für die Solistin galt stellenweise das gleichzeitige Zupfen und Streichen der Saiten. Zilliacus meisterte ihren Part mit Bravour, vor allem aber mit Einfühlungsvermögen und spürbarer Liebe, nicht nur zum Detail, sondern um mit der Violine singende Qualität und eine melodische Linienführung zu zaubern. Im orchestralen Dickicht, in dem die Musiker um höchstmögliche Transparenz bemüht waren, gingen die Ohren auf Orientierungssuche, was sich durchaus als lohnende Aufgabe herausstellte, etwa beim Bachzitat, wenngleich der »Valse d’esprit« mehrheitlich der Geigenstimme zugeordnet blieb.
Eine Fülle von Einfallsreichtum
In der vierten Brahms-Sinfonie e-Moll op. 98 geht es nicht um Trauer. Trotz der Molltonart ist sie von eher heiterem und kraftvollen Charakter. Am Beginn markierten die Violinen unmittelbar das Hauptmotiv, dem sich die Bläser synkopisch zugesellten. Immer wieder durchziehen neue Themen und Varianten in einer Fülle von Einfallsreichtum das Werk, von den Musikern differenziert und vielgestaltig herausgeholt.
Die einzelnen Instrumentengruppen nutzten ihre schöne Gelegenheit, sich als Gruppe oder solistisch zu profilieren sowie auch nahtlos miteinander zu verschmelzen zum großen Ganzen. Berühmt ist im letzten Satz die Verarbeitung einer barocken Passacagliaform, die dann wieder zahlreiche Variationen nach sich zieht. Simonis und die Musiker bereiteten ein schönes Brahmsfest mit Elan, Spielkultur und Klangfreuden. Elisabeth Aumiller