Im Probenzentrum Aigen des Salzburger Landestheaters wirken dieser Tage gar unheimliche Kräfte. »Das Nichts verschlingt ganze Teile Phantásiens!«, hallt es durch den Raum. Auf der Bühne beraten sich absonderliche Spukgestalten: »Es gibt nichts Schlimmeres als das Nichts.«, ist man sich einig.
Landestheater-Intendant Carl Philip von Maldeghem, der Regie führt, hat offensichtlich allergrößtes Vergnügen bei seiner Arbeit. Ebenso die Schauspieler, die auf der Zielgeraden ihrer Probenarbeit angelangt sind: Am 4. Februar steigt im frisch sanierten Salzburger Landestheater die Premiere von Michael Endes »Die unendliche Geschichte« in der Bühnenfassung von John von Düffel als österreichische Erstaufführung. Betonungen einzelner Textpassagen oder Worte, Sprechtempo und -pausen – Feinschliff, Detailarbeit, auf die es ankommt, damit das Publikum am Ende mit eintaucht in die Illusionen der fantastischen Geschichte. Das heißt auch für den Glücksdrachen Fuchur, dass er langsam mit seinen Flugübungen Gas geben muss.
Schließlich soll der Gute, der von gleich zwei Schauspielern – Martin Trippensee und Leyla Bischoff – zum Leben erweckt wird, nicht nur flattern und schlingern, sondern auch sicher fliegen können. Nicht nur das: Er muss Atréju sicher durch Wind und Sturm tragen, muss seine Augenlider bewegen, mit den Wimpern klimpern, im Flug seinen Drachenkopf bewegen und bei alledem auch noch laut und vernehmlich mit seinem ihm im Nacken sitzenden Fluggast sprechen können.
Wie das geht? Das erklärte Fuchur alias Martin Trippensee der Mitarbeiterin unserer Zeitung, die über die Tricks und Kniffe des komplizierten Puppenspiels staunte. Wie sich in der Probe zeigte, hat Trippensee, wie auch Schauspielkollegin Leyla Bischoff (in der Rolle Atréjus) schon eine ganz besondere Beziehung zu dem wuscheligen Drachenwesen aus der Parallelwelt Phantásiens aufgebaut. Martin Trippensee tätschelt Fuchur das »Haupthaar«: Vier Kilo wiegt der Drachenschädel, den er während seiner Bühnenauftritte »führen« muss.
Ohne Arm- und Fingermuskelkraft geht gar nichts, erklärt der Schauspieler. Zudem war nebst Muskelaufbau von ansonsten im Alltag eher selten beanspruchten Muskelgruppen, noch ein spezielles Koordinationstraining notwendig: Während eine Hand Fuchurs Kopf hält, steuert die andere mittels einer Mechanik per Daumen- und Fingerbewegungen die Drachenaugen und den -kiefer. Klingt nicht nur kompliziert, ist es auch, zumal das Ganze mit dem Sprechen koordiniert werden muss.
Für die Figurenspielkonzeption zeichnet Richard Panzenböck verantwortlich, der die beiden Fuchur-Spieler vorbereitend in einem Figurenworkshop anleitete. Leyla Bischoff als Atréju ist nicht weniger gefordert: Sie sitzt auf einem aus der Technik gesteuerten Bühnenkran und muss während der Flugphasen das Drachenmaul bewegen, wissen, wann Fuchur welche Augen- und Kopfbewegungen macht, muss alles aufeinander abgestimmt koordinieren, während die Stimme Fuchurs von Trippensee kommt – hier ist neben Armkraft auch Textsicherheit oberstes Gebot. Wenn man die drei (die Drachenpuppe hat offenbar längst ein »Eigenleben«) so bei der »Arbeit« beobachtet, vergisst man schnell die technischen Hintergründe und, dass dieses wuschelköpfige Flugobjekt »nur« ein Kunstwerk aus der Theaterwerkstatt ist.
Fuchur lebt, die Illusion ist perfekt. Schon jetzt. Wenn dann auch noch die zu den Szenen passenden Musik-Kompositionen von Katrin Schweiger dazu ertönen und im Bühnenhintergrund auf einem riesigen weißen Stofftuch per Videoeinspielung das Wolken behangene Himmelszelt hinter dem berittenen Flugdrachen eingespielt wird, dann fragt man sich unweigerlich: Alles nur Theater? Oder doch schon die Grenzenlosigkeit der Phantasie und des Reiches Phantásien?
Karten gibts online unter www.salzburger-landestheater.at, per E-Mail unter service@salzburger-landestheater.at und unter Tel. 0043/662/871 51 22 22.
Kirsten Benekam