Immer wieder kehrt der »Musiksommer – Zwischen Inn und Salzach« nach Grassau zurück, zu dem Ort, mit dem die Konzertreihe seit ihrer Gründung 1976 eng verbunden ist, lebten hier doch damals zwei ihrer Ideengeber, nämlich der Dirigent Wolfgang Sawallisch und der Arzt und Musikliebhaber Dr. Franz Zech, auf die die Entstehung dieser Veranstaltungen in der Region zurückzuführen ist.
Grassau war auch heuer wieder der Schauplatz für ein Konzert des Musiksommers, und zwar mit der Pianistin Lei Meng, die seit 2017 – und das ist ein weiterer Bezug zu Grassau – an der hiesigen Musikschule unterrichtet und hier bereits viele Schüler erfolgreich ausgebildet hat. Außerdem lehrt Lei Meng seit vielen Jahren Klavier am Salzburger Mozarteum. Sie, 1991 in Peking geboren, lebt seit zwölf Jahren in Österreich.
Seit ihrer frühen Jugend erarbeitete sich Lei Meng ein großes Repertoire westlicher klassischer Literatur, aber sie wurde auch ausgezeichnet für ihre Kenntnisse asiatischer Musik. Viele Ehrungen und Preise darf die Pianistin schon ihr Eigen nennen. Die Grassauer Musikschule kann stolz sein, eine solch versierte Kollegin in ihren Reihen zu haben.
Beim Klavierabend in Grassau standen höchst virtuose Stücke auf dem Programm, wie Bernadette Osterhammer vom künstlerischen Leitungsteam der Konzertreihe in ihrer Einführung ausführte. Lei Meng meisterte am Flügel im Hefter-Kultursaal die technischen Klippen ebenso souverän wie entspannt und verlieh jeder Passage empathische Würdigung.
Mit drei der zahlreichen Sonaten von Domenico Scarlatti (1685 bis 1757) eröffnete Lei Meng das Konzert. Der Komponist aus der Zeit Bachs und Händels hatte 555 dieser kurzen, einsätzigen Sonaten komponiert – alle erstaunlich modern klingend für jene Zeit. Lei Meng spielte die Sonaten K 27 in h-Moll, K 322 in A-Dur und K 492 in D-Dur. Dem ersten Stück mit eleganten, dem Cembalo gemäßen Läufen folgte mit der zweiten Sonate ein dunkel beginnendes, temporeich sich steigerndes Drama. Umso ruhiger und nachdenklich begann die dritte Sonate, deren Dynamik sich im fingerfertigen Spiel der Pianistin rasch entfaltete.
Dann folgte Ludwig van Beethovens »Waldsteinsonate« – das Werk, mit dem der Komponist schon 1804 die Weichen stellte für die Klaviermusik des 19. Jahrhunderts –, orchestral angelegt, technisch raffiniert und in der kraftvollen Interpretation Lei Mengs beeindruckend dargeboten.
Als Ausklang – vielleicht sogar Höhepunkt – für das Konzert hatte Lei Meng die »Wanderer-Fantasie op.15« von Franz Schubert gewählt. Namensgebend für die Fantasie ist sein eigenes Lied »Der Wanderer«, dessen Melodie im zweiten Satz zitiert und variiert wird. Schubert stellt einen einsamen Wanderer in wilder Natur dar und damit ein Sinnbild für die Romantik. Die einer Sonate angeglichene Fantasie ist als Schuberts technisch anspruchsvollstes Werk bekannt. Er selbst gab zu, das Werk nie beherrscht zu haben (»Der Teufel soll dieses Zeug spielen!«). Doch dieser muss nicht bemüht werden: Lei Meng bewies, dass sie die hohen Anforderungen sensibel bewältigte.
Das mitreißende Spiel der Pianistin versetzte die zahlreichen Zuhörer im Heftersaal spürbar in aufmerksame Spannung. In der Luft lag große Bewunderung für die Künstlerin und gleichzeitig auch Dankbarkeit für das Geschenk, endlich wieder in einem echten »Raum« Musik in so hoher Qualität erleben zu dürfen.
Uta Grabmüller