Neues Kunst-Eldorado im Herzen Traunsteins?

Einen Andrang wie schon lange nicht mehr verzeichnete der Kunstverein Traunstein bei der Vernissage zu seiner Frühjahrsausstellung unter dem Motto »Intermezzo«. Sie ist noch bis 16. April in den Räumen des ehemaligen Textilgeschäfts »Witt-Weiden« in der Bahnhofsstraße in Traunstein zu sehen.

Offenbar war es gerade die Neugier der Besucher auf die Präsentation künstlerischer Werke in einem ungewöhnlichen Umfeld, die eine besondere Anziehungskraft entwickelt hat. Mindestens ebenso beachtlich war das Engagement der Ausstellenden für einen öffentlichen Auftritt und Diskussionsbeitrag: Die Kunstausstellung präsentiert 112 Werke von 80 Künstlerinnen und Künstlern.

»Glückliche Fügung«

Überwältigt zeigte sich angesichts der zahlreichen Besucher und der Vielfalt der Beiträge Herbert Stahl, der Vorsitzende des Kunstvereins Traunstein. Er verwies darauf, dass 2019 die letzte Frühjahrsausstellung stattgefunden hat. Eine glückliche Fügung und die Offenheit der Familie Thußbas gegenüber den Anliegen der Kunst habe es ermöglicht, in den ehemaligen Geschäftsräumen ausstellen zu können. Diese hätten früher auch einmal eine Bank und das legendäre Café Mayer beherbergt. Erst im Januar hatte sich der Kontakt ergeben.

Stahl stellte auch heraus, dass die bisher für die Frühjahrsausstellung des Kunstvereins genutzten Räumlichkeiten der Alten Wache im Rathaus nach einem Umbau zu klein geworden seien. Deshalb stelle sich die Frage, ob der Ausstellungstitel »Intermezzo« nur als Zwischenspiel zu werten sei oder zu einem »Charakterstück« für den Kunstverein werden könne. Angesichts der aktuellen Neugestaltung der Kulturarbeit in Traunstein mit Unterstützung des Stadtmarketings und der Neuaufstellung des Kulturforums stelle sich für ihn die Frage, welche Rolle die Bildende Kunst in der Großen Kreisstadt künftig als mitbestimmender Faktor einnehme.

Ein »echter Wunschtraum« und eine Vision mit Zukunft wäre es für ihn, wenn sich die ehemaligen Geschäftsräume von Witt-Weiden dauerhaft zu einem weiteren Ort der Kunst und Kultur in Traunstein entwickeln könnten – neben dem Kulturforum, dem Vereinshaus mit seinem O.R.T., der Kulturfabrik NUTS und der Festung. Nötig dazu wären allerdings einige potente Förderer oder Finanzspritzen von kommunalen Trägern, um die jährlichen Mietkosten von einigen zehntausend Euro stemmen zu können.

Oberbürgermeister Dr. Christian Hümmer dankte den Initiatoren und Beteiligten der Ausstellung für das großartige Engagement und stellte auch den wichtigen Beitrag heraus, den die Bildende Kunst im Gesamtbild des vielfältigen Kulturgeschehens in Traunstein liefere. Gerade die Vielfalt an Kulturangeboten sei es, die viele Bürger anspreche und den Markenkern von Traunstein ausmache. Zu konkreten Förderzusagen für die neuen Ausstellungsräumlichkeiten des Kunstvereins wollte sich Hümmer allerdings nicht äußern.

Ganz im Sinne höchst lebendiger »Zwischenaktunterhaltungen« wie bei höfischen Aufführungen Ende des 16. Jahrhunderts präsentiert sich auch die Ausstellung »Intermezzo«. Die Bandbreite der künstlerischen Ansätze, Themen, Stilmittel und Präsentationsformen der 80 Beteiligten ist sehr breit. Entsprechend viel gibt es zu entdecken. Mit Werkpräsentationen in großen und kleinen Räumen auf zwei Stockwerken, in Mini-Kabinetten, ehemaligen Umkleidekabinen und im Treppenhaus erinnert die Ausstellung an die vielbeachtete kuratierte Jahresausstellung des Kunstvereins vor einigen Jahren im ehemaligen Edeka in Chieming. Damals stellte sich für viele Besucher spontan der Eindruck einer Art »Documenta« der regionalen Kunst ein.

Mit farbenprächtigen Verlaufsmustern auf Goldgrund ziehen die Arbeiten von Eva Dahn Rubin aus Aschau die Augen beim Betreten der Ausstellung auf sich. Gleich daneben weckt Willee Regensburger mit zwei 1,50 Meter hohen verglasten Objektkästen Interesse. Sie zeigen im Inneren weibliche, aus Gips und Bienenwachs gefertigte »Penaten-Hausgötter« aus altrömischer Zeit, die als Schutz dienten und auf Vorbilder in der Antikensammlung der Wilhelmshöhe in Kassel verweisen.

Franz Angerer lässt aus einer Karton-Collage einen vulkanisch-rotsprühenden »Lavasee« entspringen, während Wolfgang Hübner in seinen Gemälden Perspektiven der Welt »auf dem Kopf« zeigt. Monika Stein funktioniert eine Umkleidekabine zu einem befremdlichen Beichtstuhl um, in dem auch das Thema Missbrauch eine Rolle spielt. Meisterhaft gemalte Kolibris von Yaninne Cansaya Büttner kontrastieren mit einer Installation gruselig-amorpher Tierköpfe von Heidi Unger sowie einer Sammlung grellbunter Kuscheltiere von Gabriele Dräger. Zu entdecken gibt es noch viel mehr.

Die Ausstellung ist Dienstag bis Freitag von 13 bis 18 Uhr sowie am Samstag und Sonntag von 11 bis 17 Uhr zu sehen. Axel Effner

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