Nun sind es wetterbedingt statt Gartenkonzerten doch zwei Hauskonzerte im Ruhpoldinger Kulturhaus Nagl geworden, allerdings Sommer-Hauskonzerte mit weit geöffneten Fenstern und Balkontüren und coronabedingten Maßnahmen. Schön, dass die Profi-Musiker die musikalischen Köstlichkeiten auch in diesem kleinen Rahmen spielten und den Zuhörern damit große Freude bereiteten. Simon Nagl führte unterhaltsam durch das Programm.
Höhepunkt in beiden Konzerten war sicherlich die 13-jährige Geigerin Sophia Nagl, die sich – mit dem »Familienquartett« Nagl-Beer und mit ihrer Mutter, der Pianistin Elisabeth Nagl – ohne jegliche Allüren, jedoch durch ihr Können als »Rising Star« vorstellte. Anlass für das Konzert war der Abschied von ihrem Geigenlehrer Florian Beer, der Sophia länger als sieben Jahre unterrichtet hatte. Zusammen mit ihm an der Violine überzeugte die junge Musikerin im Doppelkonzert für zwei Violinen von Johann Sebastian Bach, BWV 1043, in den drei Sätzen Vivace, Largo, man non tanto und Allegro mit barockem Musikverständnis, klarem Bogenstrich und schönem Ton, begleitet vom Rest des Quartetts mit Daniela Beer (Violine), Elisabeth Nagl an der Viola und Simon Nagl am Violoncello.
Den Part der zweiten Violine übernahm in allen Werken für Streichquartett Florian Beer, so auch im Divertimento F-Dur, KV 138, einem der Salzburger Sinfonien von Wolfgang Amadeus Mozart, das gleich zu Beginn in Mozart’scher Manier mit kleinen Fugati im schwungvollen Allegro, mit Sekund-Reibungen im Andante und reizvollen Pizzicato-Passagen im Presto auf das Konzert einstimmte.
Stimmungsvoll folgte auf Bachs Doppelkonzert seine Air aus der dritten Orchestersuite BWV 1068, mit deren Interpretation – besonders schön herausgearbeitet der in regelmäßigen Achteln schreitende Bass und die Ausdruckskraft in der geradezu himmlischen Melodie in Verbindung mit den dazu gehörigen Mittelstimmen – das Streichquartett Gänsehauteffekte erzielte.
Am Flügel begleitet von Elisabeth Nagl zeigte Sophia Nagl erstaunliche Virtuosität mit Doppelgriffen und Glissandi in der Chaconne g-Moll von Tomaso Antonio Vitali (1663 bis 1745) und setzte mit dem zusätzlichen Einsatz des Springbogens in Franz Drdlas (1868 bis 1944) Fantasie über die Oper Carmen op. 66 noch eins drauf. Mit Flageolett-Technik, musikalisch verpackt, überraschte die Geigerin schließlich in dem virtuosen ungarischen Czardas von Vittorio Monti (1868 bis 1922), bei dem sie vom Streichquartett begleitet wurde.
Dass man nicht nur miteinander, sondern auch mit seinem Instrument flirten kann, bewiesen die vier Musiker bei »La Cumparsita« von Gerardo Matos Rodriguez und entführten damit die Zuhörer in eine Bar mit Tangotänzern. Dazu passte auch die Zugabe aller fünf Musiker von Peter Martin, »Diversions«, über ein Thema aus Niccolò Paganinis (1782 bis 1840) 24. Capriccio, die einen Bogen zwischen Klassik und Moderne schlugen.
Dabei sagte Simon Nagl jeweils die Tempoangaben an: Jazzig klang es in »Driving two«, Andante espressivo erinnerte ein wenig an Astor Piazzollas Kompositionen, und auch »Medium swing«, »alla Tango« und »Con moto« verarbeiteten das Thema von Paganini wie bei einem Perspektivenwechsel zu einem modernen Musikstil mit Erinnerungsfaktor und Wiedererkennungseffekt. Viel Applaus nach einem ganz besonderen Konzertnachmittag mit Langzeitwirkung.
Brigitte Janoschka