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Maria Magdalena (Anna Knott) berichtet über Jesus. (Foto: Janoschka)

Maria Magdalena als Predigerin und weiblicher Gott

Zwei grandiose Aufführungen von »Maria Magdalena« gingen in der Laufener Salzachhalle über die Bühne.

Das Drehbuch von Andrea E. Maier und die Musik von Stefan Lang unter der künstlerischen Leitung von Arrangeur Thomas Netter am Klavier wurden vom Gospelchor »Spirit of Joy« und der Band mit Christina Veit am Saxofon, Stefan Lang, Gitarre, Philip Wipfler, Bass, Max Hark, Percussion und Christian Stehböck am Schlagzeug perfekt in Szene gesetzt. Auch die »Stiftsmäuse« waren dabei und vermittelten dadurch den Eindruck eines »Kontinuums«.

»Der Tod ist nicht das Ende«, weiß Maria Magdalena, professionell verkörpert in Schauspiel und wunderbarem Gesang von Anna Knott. Das Leben geht also weiter, was auch in der Szene deutlich wird, als die Kinder die Weltkugel hochhalten. Die spirituelle Ausdeutung des ersten Kapitels des Johannes-Evangeliums durch den Apostel Johannes (großartig: Johannes Heimerl) erschließt wie alle anderen Zitate vieles sonntäglich Gehörte und oft Überhörte neu und spiegelt die Inspiration durch Luise Rinsers Roman »Mirjam« wider.

Die biblischen Ereignisse finden nicht real statt, sie werden durch die Gefühle und Kommentare der handelnden Personen – der Jüngerinnen (Biggi Vielmeier, Judith Spitz und Irmi Pollhammer) und Jünger (Arno Hahnemann, Hans Ederer und Matthias Surer), sowie der Hauptfiguren Maria Magdalena, Apostel Johannes und Maria, der Mutter Jesu (Ursula Niedermeier) – reflektiert, interpretiert und vertieft, fast so, als würde die Lehre Jesu in der Person Maria Magdalenas gerade manifestiert. Sie trägt sie mit einer überwältigenden Botschaft weiter, die sie aus ihren Erfahrungen mit Jesus herauskristallisiert hat. »I want to learn and teach«, singt sie schließlich und schreibt ihre Lehre in das Buch der weisen Frauen (Christina Putzhammer, Cordula Trujillo und die Autorin Andrea E. Maier). Diese können als Mittelding zwischen Priesterinnen und den Schicksalsgöttinnen angesehen werden, da sie den Verlauf der Zeit von der Antike bis zum Jahr 2023 im Blick hatten und immer wieder kommentierten.

Aus dem erzählerisch-gedanklichen Geschehen heraus entwickeln sich entscheidende Konsequenzen, die sich im Handlungsfortschritt zeigen. Die weiblichen Darstellerinnen gewinnen an Selbstvertrauen und zeigen dies äußerlich mit moderner Kleidung. Auf dem Höhepunkt wird eine Jüngerin (Judith Spitz) zur Päpstin ausgewählt und in eine Soutane gekleidet. Fast schien es so, als wäre das feierliche Aufsetzen der Mitra eine Parallelhandlung zur Krönung des englischen Königspaars am selben Tag. Der »Aufstieg« der Frau wurde von allen tanzend zur Musik gefeiert. Eine besondere Darbietung mit Ausdruckstanz zeigte Miriam Lang im Zusammenhang mit dem Pfingstereignis.

Entsprechend der Aufgabe des Chors in der Antike kommentierte der Chor »Spirit of Joy« die Gespräche unter den handelnden Personen mit Songs im Gospel- und Popstil auf Englisch. Alle Chorsongs mit der fantastischen Solistin Anna Knott wie »He died and lived forever« zu Beginn sowie im weiteren Verlauf »Desert Call«, »The Way I see«, »The Commander of the Wind«, »Not a Hero«, »John, our good Friend« oder »Why a Man?« mit der Frage zu einem weiblichen Gott – alles war inhaltlich und musikalisch aufeinander abgestimmt und kohärent.

»Sucht ihn nicht im Außen, schöpft aus der Quelle in eurem Innersten«, »Alles ist verbunden«, »Jesus wusste um die Macht der Gedanken« – diese Zitate zeigen, dass Persönlichkeitsentwicklung auch heute – wie von Personal Trainern oder Therapeuten angeboten – aus der biblischen Quelle schöpft. Die musikalischen Darbietungen, solistisch und im Chor, sowie die vielen Erkenntnisse, die Maria Magdalena und Johannes im Stück äußern, sind tiefgreifend und haben die Menschen in der Salzachhalle nicht nur momentan berührt, sie werden sicherlich lange nachwirken. Verdiente Applausstürme!

Brigitte Janoschka

Der Anna-Seghers-Preis geht in diesem Jahr an den haitianischen Autor Makenzy Orcel und den deutschen Dramatiker Bonn Park. Die Verleihung der mit jeweils 12 500 Euro dotierten Auszeichnungen findet nach Angaben der Stiftung am 10. Juni in der Akademie der Künste am Pariser Platz in Berlin statt. Die Auswahl der Preisträgerinnen und Preisträger beim Anna-Seghers-Preis übernehmen jährlich wechselnd von der Stiftung beauftragte Persönlichkeiten aus dem literarischen Leben.

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