Die Texte stammen unter anderem von Johann Wolfgang von Goethe, August von Platen, Justinus Kerner, Heinrich Heine, Moritz Graf von Strachwitz und Nikolaus Lenau und beinhalten romantisches Gedankengut voller Sehnsucht nach Natur, Liebe und Vollendung.
Christian Gerhaher, ein Bariton höchster Disziplin, der mit minimaler Gestik, aber deutlicher Ausdruckskraft in der Sprache einzig die Musik sprechen ließ, goss die Schumannschen Lieder wachsweich in den Äther im Haus für Mozart. Hingebungsvoll in den leiseren Legato-Passagen und mit dynamischer Energie an den dramatischen Stellen gestaltete er die verschiedenen Lieder wie ein Bildhauer seine Statuen, ohne zwischen den Gesängen eines Zyklus' zu verharren, die auf diese Weise fast übergangslos ineinander überflossen. So entsprach dieser Flow auch seiner Stimmgewalt, die über mehrere Oktaven ging: Ob in tiefen oder in hohen Lagen, Gerhaher ließ nie einen Übergang von einem Register ins andere hören oder spüren. Seine Stimme war sein perfekt beherrschtes Instrument.
Nicht weniger eindrucksvoll sein Begleiter, der Pianist Gerold Huber, der mit seinem Klavierpart instrumental ausdrückte, was Christian Gerhaher sang. Seine akrobatischen Finger übersetzten sein Fühlen auf die Tasten, und seine Mimik zeigte seine Verbundenheit in diesem ganzheitlichen Kunstwerk aus Gesang und Klavier. Manchmal bewegten sich seine Lippen, so als singe er mit, die letzten Töne seiner Nachspiele hob er mit beiden Händen in die Luft, als wolle er ihre Wirkung noch verstärken.
Die Kompositionen Schumanns drücken den Inhalt des jeweiligen Gedichts symbolisch aus: Für den Gegensatz zwischen Himmel und Erde aus dem Zyklus »Lieder und Gesänge, op. 96« in dem Gedicht von Wilfried von der Neun (Friedrich Wilhelm Traugott Schöpff, 1826-1916) zum Beispiel verwendet er zwei Tonarten, die weit voneinander entfernt liegen, wie As-Dur für die himmlische und H-Dur für die irdische Sphäre.
In »Fünf Lieder und Gesänge, op. 127« entwirft Schumann in seiner Musik Menschentypen – einen Sänger, einen fantasierenden Verliebten, einen Soldaten und einen einfältigen Narren. Ernst und Scherz liegen hier nahe beieinander und reflektieren mit ironischen Glanzpunkten so manche Figur der Commedia dell’Arte. »Romanzen und Balladen, op. 49« erzählt die Geschichte zweier Grenadiere, zweier feindlicher Brüder und einer Nonne, die als »Freudenlose« einer Braut beim Hochzeitsfest gegenübersteht.
»Sechs Gedichte und Requiem op. 90« zeichnen Sinnbilder für das Werden und Vergehen des Lebens: »Meine Rose«, »Kommen und Scheiden«, »Einsamkeit«, »Der schwere Abend«, alle von Nikolaus Lenau (1802 bis 1850) und »Requiem«, ein altkatholisches Lied, das Leberecht Dreves (1816 bis 1870) aus dem Lateinischen übersetzt hat, tragen schon in den Überschriften beredtes Zeugnis von Weltflucht und dem Hinübergehen in eine geistige Welt.
Der Liederkreis nach Heinrich Heine, op. 24 gibt dem dichterischen Ich viele Möglichkeiten, sich seinen Emotionen hinzugeben: »Morgens steh’ ich auf und frage«, »Es treibt mich hin«, »Ich wandelte unter den Bäumen«, »Lieb’ Liebchen«, »Schöne Wiege meiner Leiden«, »Anfangs wollt’ ich fast verzagen« und »Mit Myrten und Rosen« wechseln zwischen Traum und Wirklichkeit, philosophieren über die Zeit und verbreiten Todesahnungen.
Auch in »Vier Gesänge op. 142« geht es um Tränen, Traurigkeit und Trost, und in »Mein Wagen rollet langsam« von Heinrich Heine (1797 bis 1856) taucht noch einmal die Lebensreise auf, die zeitweise von drei Schattengestalten begleitet wird – spöttisch und Gesichter schneidend.
Die großen Themen der Romantik mit ihren Kontrasten zwischen Idylle und Wahnsinn, mit ihren archetypischen Seelenzuständen und ihrer Melancholie erklangen an diesem Konzertabend mit Schumann-Liedern in einer fast überirdischen Symbolik und Aussagekraft. Mit zwei Zugaben bedankten sich die beiden großen Künstler Brigitte Janoschka