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Corinna Metz, Viola da Gamba, Sebastian Schilling, Truhenorgel und Ulf Dressler, Theorbe, singen und spielen gemeinsam mit dem Kirchenchor St. Oswald (unter der Leitung von Manfred Müller, hintere Reihe Dritter von links) »Happy Birthday« für Patrick Pföß. (Foto: Janoschka)

»Konzert im Mantel« bei eisiger Kälte in der Klosterkirche

Das zweite »Konzert im Mantel« war zugleich das letzte Konzert in der Traunsteiner Klosterkirche vor dem Umbau.


In den vergangenen 25 Jahren hat sich Sigrid Ackermann von der Kulturfördervereinigung ARTS um den Erhalt dieser Kulturstätte verdient gemacht, wofür sie nach dem Konzert vom Organisator, dem Komponisten und Flötisten Patrick Pföß, mit einem Blumenstrauß bedacht wurde.

Als besonderer Programmpunkt, »der in den nächsten 20 Jahren sicherlich nicht mehr in Traunstein zu hören sein wird«, war im Konzert »Der Gesang der Jünglinge« von Karlheinz Stockhausen (1928 bis 2007) zu hören – elektronische Musik aus der »Konserve« unter Verwendung von Knabenstimmen. Geräusche und Klangfetzen rasten von einem zum anderen der Riesenlautsprecher, die in den Ecken und auf der Empore in stundenlanger Arbeit aufgebaut worden waren. Für die gelungene Klangregie zeichnete sich Lukas Tügel verantwortlich.

Die Musik mutete an wie venezianische Mehrchörigkeit, die auf einen Science-Fiction-Kontext projiziert wird. Sie setzte sich aus Gesangsfetzen mit mehr oder weniger verständlichen Wortinhalten und aus fantasievollen Geräuschen zusammen, die beim Zuhörer die unterschiedlichsten Wirkungen hervorriefen. Die Vorstellungen gingen von einem Geisterschloss, durch das jemand leise schlich, bis zu einem einsamen Besuch im Kreuzgang einer gotischen Kirche. Was erwartete die Jünglinge, die eigentlich Gott lobten, hinter der nächsten Türe? Kristallene Klangperlen, Wassergurgeln, Sturmestosen? Donnernde, gröhlende, kreischende Töne waren zu hören – oder Kettenrasseln, Echowirkung, Verfremdung.

Musik als Meditationsimpuls

Den lautmalerischen Silben in Sprechblasen nachempfundene Geräusche ließen dann wieder an einen Comic denken. Dazwischen waren zerhackte Silben von Lobpreiswörtern in »Zick-Zack-Intervallen« zu hören. Diese Inhalte sind dem Gesang der Jünglinge im Feuerofen aus dem 3. Buch Daniel aus dem Alten Testament entnommen. »Wo immer also aus den Klangzeichen der Musik für einen Augenblick Sprache wird, lobt sie Gott,« schreibt Stockhausen in »Texte zu eigenen Werken« – wobei dieses Lob Gottes beim ersten Hören kaum verständlich und daher für den Laien schwer nachvollziehbar ist. Sich auf das Unerwartete einzulassen – das ist wohl die einzige Möglichkeit, sich dieser Musik als Meditationsimpuls hinzugeben, wie es Patrick Pföß, der vor Beginn eine Kerze auf einem stilisierten Altar angezündet hatte, vorschlug.

Die übrigen Programmpunkte waren nur durch die Existenz von verschiedenen Todesjahr-Jubiläen in den Lebensdaten der Komponisten als rotem Faden verbunden. Werke aus der Renaissance bzw. dem Frühbarock erklangen so neben Werken des 20. Jahrhunderts. Ergänzt wurde der Hörgenuss durch traditionell Irisches wie »Molly Mallone«, das der Kirchenchor St. Oswald Traunstein unter der Leitung von Manfred Müller unterhaltsam vortrug, und »Sally Gardens« der »Leprechaun Players«, einem Instrumental-Ensemble aus vier Querflöten, einer Geige, einer Gitarre, zwei Klarinetten, einem Kontrabass und einem E-Piano, das unter der Leitung von Patrick Pföß auch den Walzer Nr. 2 aus der 2. Jazz-Suite von Dimitri Schostakowitsch sehr authentisch zum Besten gab.

250. Todesjahr von Georg Philipp Telemann

Wird Stockhausens Sterbejahr 2017 zum 10. Mal gedacht, so sind seit Georg Philipp Telemanns (1681 bis 1767) Tod 250 Jahre, seit dem Tod Franz Tunders (1614 bis 1667) sogar 350 Jahre vergangen. Entsprechend kontrastreich erklang daher im Vergleich die Fantasie Nr. 3 für Viola da Gamba solo, die Corinna Metz feinfühlig und mit beeindruckender Virtuosität darbot. »Salve coelestis pater« für Bass solo (Hubert Dobl), Traversflöte (Patrick Pföß) und Basso continuo (Sebastian Schilling, Truhenorgel, Corinna Metz, Gambe, und Ulf Dressler, Theorbe) von Tunder stellte ein wunderbares Beispiel historischer Aufführungspraxis dar, da die Musiker auf historischen oder historisch nachempfundenen Instrumenten musizierten.

In diesem Jahr wird auch des 25. Todesjahres von Olivier Messiaen gedacht. Albert Galimzanov spielte von diesem Komponisten von der Empore aus »Abîme des oiseaux« für Klarinette solo aus »Quatuor pour la fin de temps« und verbreitete mit den verschiedenen kontrastreichen Anblastechniken tatsächlich programmatische Endzeitstimmung und zeichnete lautmalerische Abgründe in den Äther.

Der Kirchenchor St. Oswald, der das Konzert mit dem Madrigal »Wach auf, meins Herzens Schöne« von Johann Friedrich Reichardt (1752 bis 1814) in der Bearbeitung von Walter Rein (1893 bis 1955) begonnen hatte, ließ mit der Ballade »Die traurige Krönung« für Chor a capella Hugo Distler (1908-1942) zu Wort kommen, der vor 75 Jahren verstorben ist. Christopher Simpson (1605 bis 1669) komponierte mit »Divisions« in e-Moll ein Werk mit kunstvoll verflochtenen Variationen. Mit höchst virtuoser Gambe, Truhenorgel und Theorbe verwurzelten sich die Musiker ein weiteres Mal in den Grundlagen der alten Musik und beschlossen ebenso wie mit »An Evening Hymn« für Bass solo und Basso continuo das Konzert mit den festen Strukturen eines barocken Weltbildes.

Bei Glühwein und Kuchen konnten sich die Besucher nach dem Konzert in eisiger Kälte – eine Herausforderung, die die Musiker exzellent gemeistert haben – aufwärmen. Brigitte Janoschka

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