Stubenoper deswegen, so Ringsgwandl in einem Interview, weil durch die Reduktion der musikalischen Begleitung auf ein oder zwei Instrumente das Stück sogar in der kleinsten Stube aufgeführt werden könnte. Mit dem Gitarristen Marco Piludu aus Stuttgart, der sich Ringsgwandls Musik zu eigen gemacht hatte und die Lieder, Gstanzl und Couplets des Singspiels mal dezent und mal laut übertönend untermalte, gelang dies vorzüglich.
Die Kinder wollen nicht einspringen
Die Handlung des Stücks in der Inszenierung von Steffi Baier ist schnell umrissen: Bei einem Besuch auf dem Weichsenriederhof bemerkt Schwiegersohn Günter, dass die alte, seit Langem verwitwete Bäuerin scheinbar nicht mehr alles Tassen im Schrank hat. Die Alte braucht Pflege, keine Frage. Doch keines ihrer zwei Kinder, die längst aus dem Haus sind, will einspringen und sie betreuen. Sohn Rupert ist als Industrie-Manager nur an seiner Karriere interessiert und auch Tochter Gerlinde, eine Handarbeitslehrerin, verschanzt sich hinter ihrem angeblich so nervenaufreibenden (Halbtags)Job.
Bliebe Günter, der als Leiter der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt aber gerade einen Burn-Out hinter sich hat und seine Ruhe haben möchte. So kommt, vermittelt durch Günter, die junge Svetlana aus Moldawien als Pflegekraft auf den Hof. Und bringt die eingefahrenen Verhältnisse rasch ins Wanken.
Für reichlich Spannung und Konflikte war also gesorgt, auch wenn die erste Überraschung die war, dass die alte Bäuerin von einem Mann gespielt wurde. Andreas Bittl machte diesen Umstand aber schnell vergessen und brillierte als kauzige »Omma«, die längst nicht so wirr im Kopf ist, wie alle glauben. Oder wie die Alte sie glauben macht: »Günter? Bist Du da Knecht? An Günter ham mia nia ned ghobt«. Zwar hat auch sie anfangs ihre Schwierigkeiten mit dem nicht zertifizierten »Gschwerl aus dem Osten«, hinreißend verkörpert von Silvia Maria Jung, aber nachdem sie festgestellt hat, wie tüchtig, lebensklug und humorvoll die Frau ist, sieht sie in Svetlana die künftige Hofherrin – an der Seite von Rupert, gespielt von Sebastian Edtbauer. Der findet sie zwar heiß und kommt ihr gerne ein bisschen näher, mehr aber nicht. Zumal er von sich sagt: »I mog a Arbeit, bei der i weniger arbatn muass«.
Rupert hat doch noch ein Einsehen
Mit der Arbeit hat’s auch der »grode Günter« nicht so, ein lüsterner Spießer, der von Markus Baumeister perfekt dargestellt wurde. Stattdessen erpresst er Svetlana hin und wieder zu einem Schäferstündchen, und den Kinderwunsch seiner Frau Gerlinde (Kathrin Anna Stahl) wiegelt er stets mit dem ab, was »zerscht« fällig ist: Auto, Urlaub, Haus. Gerlinde will aber Kinder, und zieht die Notbremse. Aber auch Rupert hat ein Einsehen, nachdem er unvermutet seinen Job verloren hat, und so zeichnet sich doch noch ein Happy End im Sinne der Weichsenriederbäuerin ab.
Glänzend gespielt und temporeich inszeniert, überzeugte das Stück so auf voller Länge, zumal Ringsgwandl sich so mancher Klischees des Bauerntheaters bediente, um sie mit Ironie und Spott zu brechen. Dazu trug auch die geschickt mit dem Text verwobene Musik bei, keine Volksmusik, sondern typisch Ringsgwandl, von Piludu präzise umgesetzt. Kurzum, ein herrliches Theatererlebnis der etwas anderen Art, komisch, gefühlvoll, spannend, und dabei doch so realitätsnah, wie ein Singspiel, pardon: eine Stubenoper, nur sein kann. Wolfgang Schweiger