Sie gehört zu den berühmtesten Ehebrecherinnen der Weltliteratur. Ihr verzweifelter Kampf nach Freiheit kostet sie das Leben – und verschafft ihr großen Respekt: Effi Briest.
Theodor Fontanes berühmteste Romanfigur (1895) und ihr dramatisches Schicksal sind Inhalt seines gleichnamigen Romans. Eine Figur, die geradezu nach theatraler Bearbeitung schreit. Derer nahm sich, in Kooperation mit dem Altstadttheater Ingolstadt, das Salzburger Landestheater an und brachte das Werk in einer großartigen Bühnenfassung von Falco Blome auf die Bühne im Europapark.
In radikaler Strichfassung entstand ein Monolog, in dem Lisa Fertner als Effi dem Publikum in einem aufs Wesentliche reduzierten Schauspiel nahebringt, um was es geht. Trotz beachtlicher Textmenge, kam in pausenlosen 90 Minuten kein Moment des Überdrusses auf eine One-Woman-Show der Extraklasse, in überschäumender Spielfreude und mit umwerfender Ausdruckkraft dargeboten. Lisa Fertner war ganz Effi – oder so, wie man sie sich vorstellen könnte.
Sie schaukelte von einer langen Schaukel von der Bühne in den Zuschauerraum hinein. Von dort aus knüpfte sie – nicht mehr Kind, aber noch nicht Frau – mit schelmisch-mädchenhafter Miene den ersten Kontakt zum Publikum, dem sie ihre Geschichte in IchForm erzählt. Auf der ansonsten leeren Bühne stehen, nebst Schaukel ein Flügel und ein Sessel – drei verschiedene Handlungsorte, an denen die 17-jährige Effi ihren Spagat zwischen gesellschaftlichem Frauenopfer und weiblicher Selbstermächtigung vollführt.
Da ist einerseits die ihr auferlegte familiäre Erwartung, der sie gerecht werden soll – den gutbetuchten, aber spießigen 21 Jahre älteren Landrat Geert von Innstetten zu heiraten (der Ex-Verehrer der Mama). Andererseits will sie die eigenen Träume und etwaigen Lebensentwürfe verfolgen. »Weiber weiblich, Männer männlich«, so die eindimensionale Denke des Vaters. Die Mama will, dass Effi »mit zwanzig schon da steht, wo andere mit vierzig stehen«.
Und was will Effi? Alles, bloß keine Langeweile. Stattdessen spannungsvolles Risiko, gerne auch Gruselgeschichten, sie will leben, lachen, lieben und spielen, vor allem frei sein. Das Spielen der Ehefrau erweist sich bald als ernüchternde Enttäuschung, später als krank machende Pein.
Einsamkeit, Heimweh, Missbrauch, Lieblosigkeit und dann auch noch die grausamen Spielchen des Ehemannes und Möchtegern Pädagogen: »Erziehen durch Spuk. Spuk, um mich in Ordnung zu halten«, deutet sie den sadistischen Umgang mit ihrer Angst. Um gegen Langeweile aller Schattierungen aufzubegehren, wagt sie den schicksalsvollen Seitensprung mit Lebemann Major Crampas – der Anfang ihres offenbar unvermeidlichen Absturzes und fatalen Endes.
Alles andere als langweilig ist Falco Blomes Inszenierung, in der Lisa Fertner alle Qualitäten einer ganz Großen ihres Faches zeigt: Die psychologische Entwicklung der Figur – vom quirlig plappernden und kichernden Mädchen auf der Schaukel zur stolzen Braut, die noch meint, über den Dingen zu stehen, bis zu den Momenten, in denen die Schieflage offenbar wird und schließlich zum herzzerreißenden Ende einer gereiften Frau führt.
Der Flügel dient als Ort der Sehnsucht, an dem sie ihre innere Gefühlslage auch musikalisch zum Klingen bringt, und den sie zur »Bühne« ihrer Erzählungen macht – sich mal in erotischen Posen darauf windend oder paralysiert darunter versteckt. Mehr als spannend, voller Rhythmus und fein ausgespielter Emotion – ob im Gesprochenen oder in stillen Zwischenspielen – immer authentisch und selten gut gespielt.
Informationen zu weiteren Spielterminen und Karten gibt es unter Telefon 0043662/871512222 oder per E-Mail unter service@salzburger-landestheater.at. Kirsten Benekam